Dog Boy
Kleidungsstücke, die er finden konnte, viel mehr, als er normalerweise gebraucht hätte. Dann nahm er all seinen Mut zusammen, um die Welt außerhalb der Wohnung zu erkunden. Wenn ihn jemand dabei erwischte, würde der bestimmt denken, dass Romotschka nichts Gutes im Schilde führte. Man würde ihm den Hintern versohlen und ihn in den Schrank sperren.
Es war kalt und still. Er sah in der Gemeinschaftsküche nach und stellte überrascht fest, dass der Herd, die Spüle und alle Kühlschränke verschwunden waren. Nur einschmutziger leerer Raum war zurückgeblieben. Sogar die Küchenschränke waren weg; hier und da ragten ein paar Rohre aus der Wand. Die alte Tapete, die sich hinter den Bänken und dem Herd verborgen hatte, war mit Dreck und Staub überzogen.
Die Toilette war noch da, doch als er sie benutzte, funktionierte die Spülung nicht. Im Schrank gab es weder Toilettenpapier noch sonst irgendwas. Das Gemeinschaftsbad sah aus wie immer, nur war es jetzt trocken, und die abgestandene Luft roch schimmelig.
Er war ganz allein.
Als er in die Wohnung zurückkehrte, kam ihm der gewohnte Anblick unheimlich vor. Außer der kalten Luft verriet nichts den trostlosen Zustand des übrigen Gebäudes. Seine Abenteuerlust war verflogen, und er wandte sich mit zunehmender Panik mal hierhin, mal dorthin. Plötzlich rannte er zum Schrank, kroch hinein und zog die Tür zu. Als hätte man ihn bei etwas Verbotenem ertappt, ihm eine ordentliche Tracht Prügel verabreicht und ihn dort eingesperrt. Er schluchzte wie schon oft zuvor, und seine Ohren brannten vor Hitze und Schmerz. Dann schluchzte er noch etwas heftiger und wiegte sich dabei hin und her, bis er einschlief.
Im Laufe der nächsten beiden Tage aß Romotschka alles, was er im Lebensmittelschrank finden konnte, ohne sich ums Aufräumen zu kümmern. Er begann mit einer halben Schachtel Kekse. Dann schlang er einen Kohlkopf, rohe Kartoffeln, Corn Flakes, Reis und Makkaroni hinunter, bis er Bauchschmerzen bekam und sich hinlegen musste. Als er sich wieder besser fühlte, gelang es ihm, zwei Dosen mit Makrelen zu öffnen. Er aß eine Schachtel Zuckerwürfel undversuchte sich sogar an einer rohen Zwiebel. Ein Glas mit eingemachten Pflaumen und ein anderes mit Gurken konnte er nicht öffnen. Er überlegte, ob er die Gläser zertrümmern sollte, traute sich aber nicht. Seine Mutter hatte immer gesagt: Wenn man etwas aus einem zersplitterten Glas isst, kann man davon sterben .
Romotschka plünderte alle verbotenen Winkel, fand jedoch nur wenig Interessantes und überhaupt nichts Essbares. Er nahm die Kleidungsstücke aus den Kartons und zog alles hervor, was unter dem Bett lag. Die Kleider seiner Mutter waren hübsch, aber der Stoff war dünn, und als er sie von den Bügeln streifte, zerriss eins von ihnen. Er drückte seine Nase in ihr Pfauenkleid und atmete tief ein. Dann legte er alles behutsam zur Seite und stöberte weiter. Er suchte den pelzverbrämten kurzen braunen Mantel seiner Mutter. Der hält so warm, sagte sie oft, dass man nichts an den Beinen braucht.
Aber der Mantel war nirgends zu finden. Romotschka gab die Suche auf und zog so viele seiner eigenen Kleidungsstücke übereinander, dass er sich mühevoll wieder aus ihnen herausschälen musste, um auf die Toilette zu gehen. Dann zog er die Matratze vom Bett, warf alles darauf, was ihn wärmen konnte, und kuschelte sich in den Kleiderhaufen. Wenn Onkel zurückkehrte, würde Romotschka großen Ärger bekommen. Hoffentlich kam er bald, damit er sehen konnte, was passierte, wenn man einen kleinen Jungen einfach allein ließ.
Nach dreieinhalb kalten Tagen und drei langen, dunklen und eisigen Nächten wusste er, dass er das Haus verlassen musste. Er konnte sich nicht erklären, warum Onkel, das Telefon, der Strom und die Heizung einfach verschwundenund nicht wiedergekommen waren. Aber auch seine Mutter war ja plötzlich nicht mehr zurückgekehrt – und vor Kurzem waren auch die Möbel verschwunden und nicht wieder aufgetaucht. In Romotschkas kurzem Leben waren Onkel und das Telefon eigentlich nie so verlässlich gewesen wie seine Mutter, die Heizung und die Möbel.
Während er ziellos durch die Wohnung streifte, wurde ihm ganz übel vor Sorge. Allein auf die Straße hinauszugehen war verboten. Wenn du jemals allein einen Fuß vor die Haustür setzt, bringen wir dich um, erst er und dann ich!
Aber es gab nichts mehr zu essen.
Er zögerte. Dann erkundete er die anderen Stockwerke. Mittlerweile hatte er sich
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