Dog Boy
Spielsachen zu beschaffen, und redete sich ein, er tue es Welpe zuliebe. Doch er brach nicht mehr in Häuser ein. Der Spiegel hatte ihn unglücklich gemacht, und er konnte die kleine weiße Hündin nicht vergessen.
~
Romotschka und Weiße Schwester stapften in einer fremden Gasse vorsichtig durch den Schneematsch. Auf der einen Seite türmte sich Müll, und hier und da war ein vertrautes Nest aus Pappe, kaputten Kisten und alten Decken zu sehen. Auf der anderen Seite zog sich ein schmaler, pfützengesprenkelter Pfad durch eine Schlammschicht voller Plastikflaschen, Papier, Windeln, Glasscherben und Zwiebelschalen. Plötzlich erstarrte Weiße Schwester, und Romotschkas Nackenhaare stellten sich auf. Irgendjemand beobachtete sie aus den abzweigenden Gässchen. Nicht heimlich, sondern ganz offen. Und da füllte sich die Gasse hinter ihnen auch schon mit jauchzenden, schreienden Menschen.
»Hundejunge! Hundejunge! Lasst ihn nicht entwischen!«
Romotschka und Weiße Schwester machten kehrt, rannten mit lauten, klatschenden Schritten über den pfützenübersäten Pfad und bespritzten sich dabei gegenseitig mit schwarzem, öligem Schlamm. Da Romotschka für ihre Nahrungssuche eine gewisse Anonymität angestrebt hatte, befanden sie sich in einer Gegend der Stadt, in der sie sich kaum auskannten, und er hatte keine Ahnung, auf welchem Weg man aus der Gasse hinausgelangte. Sie liefen in knöcheltiefem Schneematsch und mühten sich durch die großen Abfallhaufen neben zwei umgekippten Müllcontainern – ein schlechtes Zeichen. Die Schreie hinter ihnen klangen so schrill und aufgeregt wie bei einer Jagd, die auf ihren Höhepunkt zusteuerte, und Romotschka war nicht überrascht, als die Gasse plötzlich eine Kurve machte und an einer Ziegelmauer endete, auf der noch schwarzer Schnee lag.
Die beiden wirbelten herum, um zu kämpfen. Doch als die Bande schweigend um die Ecke bog, wusste Romotschka, dass es hoffnungslos war. Sie waren ein großes Rudel, alle fast ausgewachsen. Große Jungen mit kurzen Haaren. Er kauerte sich hin, schwang mit gegrätschten Beinen die Keule und wartete. Weiße Schwester fletschte die Zähne und knurrte grimmig, schnappte und geiferte, um all ihre Drohgebärden zu zeigen. Aber Romotschka wusste, dass sie nur zwei Hunde waren und dass es nicht reichen würde.
Als er aufwachte, hörte er Weiße Schwester knurren und vor Schmerz jaulen. Er ließ die Augen geschlossen und horchte. Sie klang wütend und zugleich unterwürfig. Und sie hatte Angst. Ihr Heulen wurde mit lautem Gelächter beantwortet. Plötzlich spürte er, dass jemand in seiner Nähestand und sich zu ihm vorbeugte. Sein Kopf tat ihm weh. Seine Hände und Füße waren frei, doch sein Körper berührte an keiner Stelle den Boden. Er war nackt an einem Büschel seines Stirnhaars aufgehängt worden. Anders als er stand die Gestalt vor ihm bestimmt auf dem Boden. Kaltes Wasser rann ihm über die Wangen, und am Wind spürte er, dass sein Gesicht entblößt war.
Er wartete, horchte auf den Atem des anscheinend lächelnden Jungen, trat so fest wie möglich nach dessen Gesicht und schlug knurrend die Augen auf. Als er den Fuß vorschnellen ließ, schwang sein Körper zurück, und der Tritt fiel deutlich schwächer aus, als er gehofft hatte, aber dennoch fest genug, um den anderen zu überraschen. Der Junge sprang zurück und hielt sich brüllend das Gesicht. Die anderen drehten sich lachend um.
Romotschka befand sich in einem großen, dunklen Lagerhaus voller Rohre und Pfeiler. Einige der Bandenmitglieder lagen herum und ruhten sich aus, die anderen hatten sich rings um Weiße Schwester versammelt. Ihr Kopf war auf den Boden gepresst und wurde dort von einem großen, durch ihr umgeklapptes Ohr getriebenen Nagel festgehalten. Er konnte gerade noch sehen, wie sie vor Verzweiflung mit den Pfoten scharrte, während die Jungen sie ärgerten, dann schlug ihm der Kerl, den er getreten hatte, irgendwas an den Kopf, und Dunkelheit fiel herab.
Romotschka war hungrig und durstig. Sein Schädel tat ihm weh. Inzwischen waren nicht mehr so viele Jungen im Raum, aber immer noch eine ganze Schar. Sie waren es überdrüssig, Weiße Schwester zu ärgern. Die Hündin stand zitternd da, verzweifelt bemüht, auf den müden Beinen zu bleiben. Er roch Nahrung, warmes Essen. Die Jungen aßenetwas aus Papiertüten. Stardogs und Subway. Als Romotschka ein Geräusch machte, drehten sie sich um. Ein dunkelhaariger Junge mit Igelfrisur und Lederjacke kam
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