Dog Boy
Pfaden, aber würde ein zahmer Hund wissen, was er denken sollte?
Romotschka hockte da, sah sich immer noch um und dachte über das Gewirr von Gerüchen nach, als plötzlich aus dem Nebenzimmer knurrend und keuchend eine weiße Hündin auf ihn zugestürzt kam. Als sie lossprang, schrie Romotschka und wandte im letzten Moment das Gesicht ab. Sie landete auf seinem Kopf, grub die Zähne in sein verfilztes Haar und zerrte an ihm herum. Er wand sich, fuchtelte mit den Armen und trat um sich, um sie abzuwehren. Die Hündin biss sich in seinem Arm fest, und er jaulte und knurrte, rollte sich vor Angst schreiend ins Kinderzimmer und versuchte, das wütende kleine Tier loszuwerden. Sein Arm blutete. Sie stürzte sich auf seinen Unterleib, dochdiesmal war er darauf vorbereitet und packte sie an der Kehle. Die knurrende, schnappende und zappelnde Hündin war kaum zu bändigen. Doch Romotschka hielt sie fest und drückte sie mit den Knien auf den Boden.
Zwischen seinen Händen und Beinen spürte er, wie sie vor Angst bebte. Auch sie wusste nicht, um was für ein Tier es sich bei Romotschka handelte. Er versuchte ihr klarzumachen, dass er ihre geschlossenen Pfade überschreiten konnte und stark genug war, seinen Willen durchzusetzen; dass sie lieber starr daliegen und ihm Respekt erweisen sollte. Er hielt sie mit seinem Körpergewicht fest und beschnupperte sie. Sie roch völlig falsch: nach Seife, Parfüm, Menschen. Er wollte sie an seinem Körper riechen lassen, doch sie hörte nicht zu oder verstand ihn nicht und kämpfte noch verbissener.
Kein Wunder, dass Mamotschka diesen wahnsinnigen Hunden aus dem Weg ging. Diese kleine Hündin begriff einfach nicht, dass er gefährlich und sie sehr klein war, dass sie ihr Leben riskierte, wenn sie mit ihm kämpfte. Er wurde fuchsteufelswild, schüttelte sie kräftig, bohrte die Finger tiefer in ihre Kehle und grub die Zähne in ihren röchelnden Hals. Warum begriff sie denn nicht, dass er ein viel größerer Hund war als sie? Doch sie strampelte, geiferte, wand sich und erwies sich als ein Muskelknäuel, das sich nicht ohne weiteres erwürgen ließ. Er hörte auf, sie zu beißen, und spuckte ihre seifigen Haare aus. Plötzlich begann sie zu zittern, und er spürte, wie sich ihre von Angst getriebene Kampflust in Verzweiflung verwandelte. Auch seine Wut legte sich. Jetzt, wo sie sich nicht mehr gegenseitig bissen, war er traurig. Er stellte sich auf die Hinterbeine und zog sie mit beiden Händen vom Boden hoch. Ihr Körper erschlaffte.
In diesem Moment sah er sich selbst im Wandspiegel, und die Hündin war vergessen. Er setzte sie langsam ab und starrte mit offenem Mund sein Spiegelbild an. Das Tier schlich davon und legte sich ein Stück entfernt jämmerlich knurrend nieder, den Blick gesenkt und die Ohren flach an den Kopf gelegt.
Romotschka erblickte einen schmutzigen, in Lumpen gekleideten Jungen, dessen riesiger Kopf von wirren schwarzen Strähnen und Ringeln bedeckt war, einer Mähne, wie er sie noch bei keinem Lebewesen gesehen hatte. Er schaute in seine eigenen Augen. Schwarz, finster. Nein, er war nicht das, wofür er sich hielt. Seine Zähne waren so flach und winzig wie die von Welpe. Sein neuer Zahn, von dem er gehofft hatte, er würde lang und spitz werden, war tatsächlich scharf und gezackt, aber eindeutig ein Menschenzahn. Der Anblick seines unbehaarten Körpers war ein Schock. Er hob den Arm. Seine schwielige Pfote und sein narbiger Unterarm waren sehnig, unbehaart, schmutzig und lang. Falsch.
Er war auf keinen Fall ein Hund, aber er sah auch nicht aus wie ein Junge. Plötzlich ärgerte er sich über die kleine Hündin. Sie wusste nicht, was er war, konnte ihn so oder so nicht ausstehen, und doch zog sie es vor, ihn als Jungen zu betrachten, so viel war sicher.
In der Wohnung war es unerträglich heiß. Romotschka sah sich dabei zu, wie er sich bis auf die untersten Kleidungsschichten auszog.
»Braves Hündchen, braver Hund«, sagte er in beruhigender Menschenstimme und beobachtete, wie sich sein eigener Mund im Spiegel bewegte. Zuerst klang seine Stimme wie trockene Blätter, die über Baumrinde raspelten; dann rau und unmelodisch. Die kleine Hündin knurrte unglücklich. »Braves Hündchen, braver Hund«, sagte er wieder in leisem Ton und beobachtete sie im Spiegel. Sie leckte ihre Nase und wandte den Blick ab. Er drehte sich um, hockte sich hin, schnipste mit den Fingern und rief sie mit Menschenstimme so eindringlich zu sich, dass sie gehorchen musste. Mit
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