Dogma
entzifferte – es waren drei, untereinandergesetzt –, schwirrte ihr der Kopf.
«Hector … Miguel … und» – sie sah zu ihrem Entführer auf – «Conrad.»
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Kapitel Sechsunddreißig
Der Iraner starrte stirnrunzelnd auf die Namen. «So», sagte er schließlich, «hier liegt also unser Templer begraben.»
Abdülkerims Gesicht glühte vor Erregung. «Nicht nur einer. Drei. Sie scheinen alle drei hier begraben zu sein, vielleicht direkt unter unsere Füße.» Er trat ein paar Schritte zurück und betrachtete forschend den Boden am Fuß der Klippe. Der fast völlig ebene Grund wies hier eine leichte Wölbung auf. Abdülkerim blickte nach beiden Seiten die Schlucht entlang, dann schaute er an der glatten Felswand hinauf, die schützend über ihnen aufragte. «Das ist unglaublich. Wir stehen womöglich auf dem Grab von drei Tempelritter, hier, in einer Gegend, wo man nie gedacht hat, dass Templer waren.»
Tess hörte ihm nicht zu. Sie überlegte fieberhaft, was dieser Fund nun bedeutete, und ein verstohlener Blick auf den Iraner verriet ihr, dass in seinem Kopf das Gleiche vorging.
Auch der Gesichtsausdruck des Byzantinisten veränderte sich nun. An die Stelle der Begeisterung traten Verwirrung und Verständnislosigkeit darüber, dass seine Klienten plötzlich so wortkarg – und so sichtlich angespannt – waren. «Danach haben Sie doch gesucht, oder nicht?»
Tess ging nicht auf seine Frage ein. «Wenn er hier begraben liegt», sagte sie zu ihrem Entführer, «dann endet die Spur hier, nicht wahr?» Sie zögerte. Was verhieß ihre Schlussfolgerung für sie und den Türken? «Wir sind mit unserer Suche am Ende, nicht?», fügte sie hinzu.
Der Iraner schien nicht überzeugt. «Wer hat sie begraben? Wir wissen, drei Ritter sind vom Kloster aufgebrochen. Sie hatten
es
bei sich. Was ist ihnen hier widerfahren? Wie sind sie umgekommen? Und wer hat sie begraben? Wer hat ihre Namen in den Fels geritzt?»
«Spielt das eine Rolle?», entgegnete Tess.
«Selbstverständlich. Denn da geht die Spur weiter. Was immer hier passiert ist, jemand hat es überlebt. Wir müssen herausfinden, wer.»
Abdülkerim verstand offenbar gar nichts mehr. «Was meinen Sie damit, sie hatten ‹es› bei sich? Wovon reden Sie? Ich dachte, wir suchen nur nach diese Grab. Was müssen Sie noch von diese Ritter wissen?»
Tess ignorierte ihn erneut. Sie wandte sich an ihren Entführer. «Wie sollen wir das anstellen? Diese Männer sind vor siebenhundert Jahren gestorben. Wir haben nichts als die Schriftzeichen hier an der Felswand. Es gibt keine weiteren Anhaltspunkte, weder im Templer-Registrarium noch im Tagebuch des Inquisitors. Wir stehen am Ende der Sackgasse.»
Der Iraner dachte mit düsterer Miene über ihre Schlussfolgerung nach. «Wir sind noch nicht am Ende. Noch wissen wir nicht,
was
hier begraben ist.» Er blickte Tess fest an und verkündete energisch: «Wir müssen sie ausgraben. Wer weiß, womöglich ist es hier zusammen mit ihnen begraben.»
Tess stöhnte innerlich. Dieser Mann ließ einfach nicht locker.
Der Byzantinist riss die Augen auf. «‹Sie ausgraben›? Wir?»
Zahed wandte sich ihm zu. «Haben Sie damit ein Problem?»
Er durchbohrte den Türken mit einem Blick, der jeden Widerstand im Keim erstickte. «Nein, natürlich nicht, sicher ist das nötig. Aber da gibt es Formalität – wir müssen beim Ministerium eine Genehmigung beantragen, das ist eine sehr komplizierte Angelegenheit, und ich weiß nicht, ob sie –»
«Vergessen Sie die Formalitäten», unterbrach ihn der Iraner. «Wir tun es selbst. Jetzt gleich.»
Abdülkerim fiel die Kinnlade herunter. «Jetzt? Sie wollen … Aber das können Sie nicht tun. Wir haben hier sehr strenge Gesetz. Sie können nicht einfach etwas ausgraben.»
Zahed zuckte gelassen die Schultern, griff in seinen Rucksack und zog eine graphitgraue Automatikpistole hervor. Nachdem er die Waffe durchgeladen hatte, hielt er dem Byzantinisten den Lauf direkt ins Gesicht. «Wenn Sie es niemandem erzählen – von mir erfährt es keiner.»
Abdülkerim trat der Schweiß auf die Stirn, als er die Mündung der Automatikpistole so dicht vor seinen Augen sah. Instinktiv hob er die Hände und wich einen zögerlichen Schritt zurück, aber der Iraner folgte seiner Bewegung und stieß ihm den Lauf der Waffe heftig gegen die Stirn.
«Wir graben. Wir sehen nach, was hier liegt. Und dann verschwinden wir, als ob nichts geschehen wäre. Klar?» Zaheds Ton war ruhig
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