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Dogma

Dogma

Titel: Dogma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Moment reinen Entsetzens, in diesem Augenblick, in dem sein Leben in einer Flut von Schmelzwasser davongespült zu werden drohte, drang etwas in sein Bewusstsein, ein Signal von seinen Fingerspitzen, das dem Grauen einen Hoffnungsfunken entgegensetzte.
    Eine Kühle. Die Kühle von Luft an nasser Haut.
    Seine Finger reichten über die Wasserlinie hinaus.
    Die Erkenntnis durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag und trieb ihn weiter. Er ließ sich mit den Füßen auf den Grund sinken und machte ein paar Schritte, während er mit der Hand panisch an der Tunneldecke entlangtastete. Das Wasser, das dagegen strömte, verwirrte seine Sinne, er drehte den Kopf und starrte verzweifelt nach oben – und dann tauchte er auf. Er hätte es keine Sekunde länger ausgehalten. Mit einem Ruck richtete er sich auf, den Kopf zur Seite gedreht, und hoffte inständig, mit dem Gesicht nicht gegen Fels zu prallen.
    Tatsächlich, da war eine Luftblase. Zwischen der Wasseroberfläche und der Tunneldecke war nicht einmal eine Handbreit Abstand, doch das genügte. Er keuchte, sog begierig die Luft ein, hustete und schluckte etwas Wasser, ganz schwindelig von der plötzlichen Sauerstoffzufuhr und benommen vor Erleichterung.
    Eine volle Minute lang rührte er sich nicht von der Stelle. Er wartete einfach ab, dass sein Herzschlag sich beruhigte, seine Lunge sich endlich wieder mit Sauerstoff sättigte, die Verkrampfung in seinen Muskeln sich löste. Als er sich erholt hatte, ging er ein paar Schritte weiter stromaufwärts, dabei immer die Tunneldecke abtastend. Sie stieg weiter an, langsam, aber stetig. Und wie zum Lohn dafür, eine sadistische Prüfung bestanden zu haben, leuchtete ihm in der Ferne, etwa dreißig Meter stromaufwärts, ein geisterhafter Schein entgegen.
     
    In den Schacht hinaufzugelangen war der schwerste Part.
    Reilly zog sich mit Hilfe der Spitzhacke hoch, was ihm durch das zusätzliche Gewicht seiner durchnässten Kleidung noch erschwert wurde. Die ersten paar Versuche scheiterten, da der weiche Tuffstein, in den er die Spitzhacke schlug, unter seinem Gewicht zerbröckelte und er ins Wasser zurückfiel. Schließlich fand er eine etwas weniger brüchige Stelle und zog sich in den senkrechten Schacht hinauf.
    Wie ein Nachtfalter, der vom Licht angezogen wurde, kletterte er aufwärts und fand sich bald in einem Tunnel wieder, ähnlich dem, in dem er Tess zurückgelassen hatte. Er ertastete das Kabel an der Wand und folgte ihm erst in eine Richtung, dann in die andere, bis er auf Stufen stieß, die aufwärtsführten.
    Aufwärts.
    Er kehrte noch einmal zur Mündung des Schachts zurück und riss als Markierung für den Rückweg das Kabel von der Wand, dann lief er entlang der Verkabelung durch eine scheinbar endlose Folge von Kammern und Gängen. Wenn er an Lampen kam, schlug er sie ein, um den Weg zum Schacht zu kennzeichnen. Und dann sah er es – erst nur als schwachen Widerschein, dann rasch immer heller, sodass er seine Umgebung erkennen konnte: Sonnenlicht, herrlich, strahlend und verlockend.
    Er trat in eine Schlucht hinaus, die er nicht erkannte. Kein Mensch weit und breit, nichts als öde, verlassene Landschaft. Die Schlucht glich der, von der aus sie in die unterirdische Stadt hinabgestiegen waren, auch hier gab es Formationen von Felsen, die aussahen wie riesige, umgedrehte Reißzähne, Hügel, die an Baiserhäubchen erinnerten, aber Reilly war sich sicher, dass es nicht dieselbe Schlucht war. Er schlug mit der Spitzhacke ein großes X neben den Eingang der Felsenbehausung, durch die er herausgekommen war, dann machte er sich stolpernd auf den Weg, um Hilfe zu suchen. Wieder prägte er sich seinen Weg genau ein und schlug immer, wenn er abbog, Markierungen in den Fels.
    Ein einzelnes Maultier, mit einem Seil angepflockt, unterbrach seine ziellose Wanderung. Dann hörte er eine heisere Stimme, rau und brüchig wie nach jahrzehntelangem Nikotingenuss.
    «Merhaba, oradaki.»
    Er blieb stehen und schaute sich um. Niemand war zu sehen.
    «İşte burada. Buradayım»,
rief die Stimme.
    Reilly blickte in die Richtung, aus der sie kam, und sah einen alten Mann, der einfach so in dieser gottverlassenen Einöde saß, auf einem wackeligen Holzstuhl in einer kleinen, offenen Kapelle, die aus dem Fels geschlagen war. Der alte Mann winkte ihm mit seinem mageren Arm träge zu. Auf einem Tischchen neben ihm standen ein paar Limonadendosen und auf einem kleinen Gaskocher ein blecherner Kessel.
    Der Mann verzog den Mund zu einem fast

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