Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dogma

Dogma

Titel: Dogma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
Vom Netzwerk:
bis zu dem Tunnel hinabreichte, in dem er stand – was bedeutete, dass es vielleicht schon sehr bald wieder erlöschen würde. Reilly begann verzweifelt einen Plan zu erstellen, wie der Brunnen angelegt sein könnte. Während ihrer erfolglosen Erkundungsgänge hatte Tess ihm von den ausgeklügelten Wasserversorgungs- und Belüftungssystemen der unterirdischen Städte erzählt, die es den verfolgten Dorfbewohnern ermöglichten, längere Zeit hier unten auszuharren, während an der Oberfläche die Invasoren wüteten. Die Belüftungsschächte reichten bis zu den untersten Stockwerken des Komplexes hinab und waren gerade weit genug, dass ein Erwachsener hindurchkriechen konnte. Sie waren mit Gittern und Stacheln versehen, um ungebetene Gäste fernzuhalten. Zugleich wurde durch diese Anlage die Trinkwasserversorgung gesichert, und zwar so, dass sie von außen nicht manipuliert werden konnte. Die Dorfbewohner hatten Brunnen gegraben, die Zugang zu unterirdischen Flüssen ermöglichten, und weitere Schächte, durch die Regenwasser von der Oberfläche aufgefangen wurde. Die Öffnungen dieser Schächte mussten gut verborgen sein, damit Feinde von oben nicht eindringen oder Gift hineinschütten konnten.
    Reilly überlegte. Er bezweifelte, dass es ihm gelingen würde, durch den Belüftungsschacht bis an die Oberfläche zu klettern. Er wusste jedoch von Tess, dass die wenigen Brunnen in den unterirdischen Siedlungen durch ein Netz von Kanälen miteinander verbunden waren. Jetzt, im Hochsommer, sollte der Wasserspiegel dort nicht allzu hoch sein. Vielleicht –
vielleicht
 – konnte er durch den Brunnen einen anderen Teil des Komplexes erreichen, einen, der nicht gegen die Außenwelt abgeschlossen war.
    Er weckte Tess und zeigte ihr, was er gefunden hatte. Der Lichtschimmer wurde bereits wieder schwächer; offenbar weil die Sonne gewandert war. Sie mussten rasch handeln.
    «Ich gehe zuerst», sagte er zu Tess. «Halt die Ohren offen für den Fall, dass Hilfe kommt.»
    Sie hielt ihn am Arm zurück. «Tu das nicht. Da unten ist Wasser. Was, wenn du nicht wieder hochkommst?»
    «Wir haben keine andere Wahl.» Er rang sich ein Lächeln ab, auch wenn sie es im Dunkeln nicht wirklich sehen konnte. «Außerdem ist Sommer. Da kann der Wasserspiegel nicht allzu hoch sein.»
    «Das wäre ein Argument – wenn das Schmelzwasser von den Bergen nicht wäre, Schlaumeier.»
    «Mir wird schon nichts passieren», versicherte er mit leisem Kichern.
    Tess runzelte die Stirn. «Die Kodizes», sagte sie. «Wenn sie nass werden … dann werden sie womöglich unrettbar beschädigt.»
    «Dann lass sie hier.»
    «Aber vielleicht finden wir sie nie wieder.»
    Reilly legte ihr eine Hand an die Wange. «Was ist wichtiger? Dein Leben oder diese Bücher?»
    Tess erwiderte nichts, aber er fühlte, wie sie ein wenig nickte. Dann wurde ihre Stimme wieder todernst. «Was, wenn du nicht mehr zurückfindest?»
    Reilly konnte nichts mehr als den schwachen Schimmer ihrer Augen sehen. Sie hatte recht. Dann fiel ihm etwas ein, und er tastete an der Felswand hinter ihr nach einer möglichen Lösung.
    «Die Stromkabel. Hilf mir, wir müssen sie abreißen.»
    Sie tasteten sich im Dunkeln durch die Gänge und Höhlen und rissen so viel wie möglich von den Stromkabeln herunter. Als sie wohl über hundert Meter hatten, verknoteten sie die Teilstücke miteinander.
    Reilly nahm ein Ende und band es an der Halterung einer der Wandleuchten fest. Er zog probeweise daran, richtig fest – die Halterung gab nicht nach. Sie schien stabil genug, um sein Gewicht zu halten, und das Kabel war ebenfalls stark. Der Schwachpunkt war das weiche Gestein, in dem die Lampenfassung verankert war. Er konnte nicht wissen, ob es halten oder einfach zerbröckeln würde. Ohne weiter darüber nachzudenken, warf er die große Kabelrolle in den Brunnenschacht. Dann reichte Tess ihm das Klappwerkzeug mit Spitzhacke und Schaufel aus dem Rucksack des Iraners.
    «Du hast die Pistole. Gebrauch sie, wenn es nötig wird», sagte Reilly.
    Tess nickte. Es behagte ihr noch immer nicht, ihn gehen zu lassen. Sie küsste ihn lange und innig, dann stieg er in das Loch.
    «Ich komme wieder», versprach er.
    «Das will ich hoffen», erwiderte Tess und hielt noch ein paar Sekunden lang fest seine Hand, ehe sie losließ.
     
    Der Abstieg war, wie Reillys Ausbilder in Quantico gesagt hätte, charakterbildend. Charakterbildend und langsam. Mit dem Rücken an der Wand des engen Schachts, Arme und Beine gegen die

Weitere Kostenlose Bücher