Dogma
zahnlosen Lächeln.
«İçmek için birşey ister misiniz, efendi?»,
fragte er und zeigte auf die Dosen auf dem Tischchen.
Reilly schüttelte den Kopf und starrte ihn sekundenlang an. Er musste sich erst vergewissern, dass der Mann wirklich da war und nicht nur ein Phantasieprodukt seines zerrütteten Geistes. Dann lief er auf ihn zu.
Es dauerte weitere drei Stunden, bis Reilly wieder bei Tess war. Er hatte Helfer mitgebracht, den Sohn des alten Mannes und zwei Enkel, sowie reichlich Seil und ein paar Taschenlampen.
Er hatte nicht beschreiben können, wo er sie zurückgelassen hatte, so genau wusste er es selbst nicht. Die sicherste Methode, um zu ihr zu gelangen, war, seinen Weg zurückzugehen. Mit der Hilfe der Einheimischen fiel ihm das nun viel leichter als allein. Die einzige echte Herausforderung war der Teil des Tunnels, wo das Wasser bis zur Decke reichte, doch sie fanden eine Lösung: einen umgedrehten Eimer, den sie wie eine Taucherglocke benutzten. Außerdem hatte Reilly etwas mitgebracht, worüber Tess sich noch mehr freuen würde als über den Anblick seines Gesichts: einen großen, luftdicht verschließbaren Plastikbeutel. Um die Kodizes und Hosius’ Dokument vor Nässe zu schützen.
Ihr strahlendes Gesicht bestätigte ihm, dass er richtiglag.
Das war der erfreuliche Teil des Ganzen.
Der unerfreuliche bestätigte sich, als sie an den Zugang zu der unterirdischen Zitadelle zurückkehrten, durch den sie hineingelangt waren.
Abdülkerim war tatsächlich tot. Und der Iraner allem Anschein nach verschwunden.
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Kapitel Neunundvierzig
Wenig später wimmelte es in der Schlucht von Polizisten.
Nach dem Blutbad am Berg war die Jandarma in der Region bereits in Alarmbereitschaft, und ein Anruf des alten Mannes beim Dorfpolizisten genügte, um sie in Aktion zu bringen. Allerdings konnten sie wenig ausrichten. Die Straßensperren, die sie errichtet hatten, hielten den Iraner nicht auf. Die Kavallerie kam zu spät.
Die Abfolge düsterer Nachrichten – die im Grunde nur die Bestätigung düsterer Ahnungen waren – setzte sich fort. Ertugrul hatte seine Kopfverletzung nicht überlebt. Keskin, der Leiter der Özel-Tim-Einheit, sowie mehrere seiner Männer waren ebenfalls tot. Die Trupps, die durch die Schluchten schwärmten, waren ganz offensichtlich erbost darüber, wie sie vorgeführt worden waren, und brannten auf Vergeltung, aber es war niemand zu finden. Ihnen blieb nichts weiter zu tun, als Abdülkerims Leiche abzutransportieren, die wenigen Zugänge zu der unterirdischen Siedlung abzusperren und auf den Sprengstoffexperten zu warten, der den Zünder in Tess’ Bombengürtel entschärfen sollte – vorausgesetzt, der Gürtel konnte gefunden werden.
Außerdem erging an die örtliche Polizei die dringliche Aufforderung, sämtliche Ärzte und Krankenhäuser der Region zu verständigen. Nach dem, was Reilly mitbekommen hatte, schien die Verletzung des Iraners keine Lappalie zu sein. Er wusste nicht, wo genau die Kugel getroffen hatte, aber er kannte sich mit Schusswunden genügend aus, um zu wissen, dass eine solche Handverletzung niemals leicht heilte. Ohne ordentliche Wundausschneidung, Fixierung und Antibiotika war äußerst ungewiss, ob der Iraner alle Finger behalten und seine Hand jemals wieder richtig benutzen könnte. Ohne einen fähigen Chirurgen war er aufgeschmissen.
Eines würden die türkischen Behörden allerdings nicht in die Hand nehmen: die Untersuchung der Kodizes, die Tess gefunden hatte. Tess hatte darauf bestanden, bei ihrer Aussage die Episode in der Felsenkirche auszulassen, und Reilly war einverstanden gewesen.
Nachdem die Formalitäten erledigt waren, wurden Tess und Reilly in ein nahegelegenes Hotel gebracht, wo sie den Gang der Dinge abwarten sollten. Das Hotel, ein verwinkelter Felsenbau mit fünfzehn Zimmern in einer Steilwand mit Blick auf einen kleinen Fluss, war eine umgebaute Klosterruine. Ställe und Schlafsäle waren zu Gemeinschaftsräumen umfunktioniert, die Nischen in den Gängen mit Glasscheiben verschlossen, hinter denen archäologische Kuriosa aus der Vergangenheit des Klosters ausgestellt waren. Das Zimmer, das Reilly und Tess bekamen, war früher eine Kapelle gewesen. Durch das einzige kleine Fenster fiel blasses Sonnenlicht herein, das den dunklen Raum mit einem zeitlosen Schein erfüllte und die Überreste tausendjähriger Fresken an den kunstvoll aus dem Fels geschlagenen Wänden erahnen ließ. Zuerst hatte Tess sich dagegen
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