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Dogma

Dogma

Titel: Dogma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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gegenüberliegende Seite gestemmt, alle Muskeln verkrampft, arbeitete er sich Stück für Stück abwärts.
    Wieder hinaufzuklettern – sofern es dazu kommen sollte – würde erst recht kein Spaß werden.
    Der Tunnel verbreiterte sich nicht, sodass Reilly auf diese Weise immer weiter hinabklettern konnte, bis er – nach seiner Schätzung in rund dreißig Metern Tiefe – mit den Füßen die Wasseroberfläche berührte. Reilly hielt einen Moment lang inne, um wieder zu Atem zu kommen. Er zögerte. Er konnte nicht wissen, wie tief das Wasser war. Wenn er sich hineinfallen ließ und es so tief war, dass er darin nicht stehen konnte, bestand die Gefahr, von der Strömung abgetrieben zu werden – er würde ertrinken, wenn zwischen der Wasseroberfläche und der Tunneldecke kein Raum war.
    Aber ihm blieb keine Wahl.
    Er packte das Kabel und verlagerte langsam sein Gewicht darauf. Zuletzt ließ er mit den Beinen los. Das Kabel hielt. Reilly stieß erleichtert die Luft aus. Er hangelte sich an dem Kabel hinunter und ließ sich ins Wasser gleiten. Zu seiner Überraschung war es trotz der Hitze draußen eiskalt. Ihm fiel wieder Tess’ Bemerkung über das Schmelzwasser ein, und er musste lächeln. Er ließ sich weiter hinunter, bis ihm das Wasser bis zu den Achseln reichte – und auf einmal fühlte er festen Grund unter den Füßen.
    «Ich bin unten», rief er zu Tess hinauf. «Ich kann stehen.»
    «Kannst du was sehen?», rief sie zurück.
    Er schaute stromabwärts. Der blasse Schimmer auf der Wasseroberfläche verschwand in der Finsternis. Dann wandte er sich in die andere Richtung. Auch dort nichts als Schwärze.
    Mutlosigkeit befiel ihn.
    «Nein», rief er, wobei er sich bemühte, nicht niedergeschlagen zu klingen.
    Tess schwieg eine Weile. Schließlich fragte sie: «Was hast du jetzt vor?»
    Das Kabel fest in den Händen, machte Reilly ein paar Schritte stromaufwärts. Hier gab es einen Freiraum zwischen der Wasseroberfläche und der Tunneldecke. Wenn er ein wenig in die Knie ging und sich duckte, konnte er stromaufwärts gehen – wenigstens ein Stück weit. Er konnte nicht sehen, wie lange es so ging. Dann versuchte er es probeweise ein Stück stromabwärts. Hier war der Tunnel niedriger, und nach etwa fünf Schritten reichte das Wasser bis zur Decke.
    «Ich sehe mal nach, ob es noch einen anderen Schacht gibt, der hier rausführt», rief er zu Tess hinauf. «Stromaufwärts scheint es zu gehen.»
    Wieder schwieg Tess, bevor sie dann sagte: «Viel Glück, Tiger.»
    «Ich liebe dich», rief er zurück.
    «Fast könnte ich finden, dieser ganze Schlamassel hat sich gelohnt, nur um dich das sagen zu hören.» Sie lachte leise.
    Reilly holte das Kabel ein und band sich das Ende um die Taille. Dann begann er seine Wanderung stromaufwärts.
    Der Grund war glatt und schlüpfrig. Das unablässige Strömen des Wassers hatte den weichen Tuffstein poliert. Hinzu kam die Strömung, auch wenn sie nicht allzu stark war. Reilly musste sich mit größter Vorsicht bewegen. Die Schwierigkeit bestand darin, zugleich mit den Händen über seinem Kopf nach einer weiteren Öffnung in der Tunneldecke zu tasten. Zweimal hätte er in dieser unnatürlichen Stellung beinahe den Halt verloren, aber es dauerte nicht lange, bis diese Sorge nebensächlich wurde, weil die Tunneldecke sich bis zur Wasseroberfläche absenkte.
    Es blieb kein Raum zum Atmen mehr.
    Einen Moment lang blieb Reilly stehen, durchgefroren, erschöpft, mit schmerzhaft verkrampften Fingern und Zehen. Er starrte in die Schwärze und dachte daran, was es bedeutete, zu Tess zurückkehren zu müssen, ohne einen Ausweg gefunden zu haben. Er fluchte innerlich. Am liebsten hätte er seine Wut hinausgeschrien und mit den Fäusten gegen die verdammten Tunnelwände getrommelt, aber er beherrschte sich, atmete ein paarmal tief durch und versuchte sich zu beruhigen.
    Er weigerte sich aufzugeben. Es musste einen Ausweg geben.
    Er konnte Tess nicht enttäuschen. Und er konnte den Iraner nicht gewinnen lassen.
    Er musste weiter.
    Zweimal atmete er tief ein und aus, dann holte er ein drittes Mal tief Luft, hielt den Atem an und duckte sich unter die Oberfläche. Mit vor Kälte schmerzenden Augen strengte er sich an, vor sich etwas zu erkennen, dann stieß er sich ab und begann, stromaufwärts zu schwimmen. Er musste sich anstrengen, um gegen die Strömung überhaupt anzukommen, ruderte aus Leibeskräften mit Armen und Beinen und fasste immer wieder kurz mit einer Hand an die Tunneldecke

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