Dogma
Flugzeug sich in einer Linie mit den beiden Geländewagen näherte, und überblickte die provisorische Landebahn hinter den Fahrzeugen. Sie schien perfekt. Trocken und hart, eben wie ein Fußballfeld, nicht eine einzige Bodenwelle, so weit das Auge reichte. Der Name des Sees,
Tuz Gölü,
bedeutete einfach «Salzsee». Und das war er. Ein eintausendfünfhundert Quadratkilometer großes Becken mit flachem Salzwasser, das jeden Sommer austrocknete und zu einer gigantischen Salzebene wurde. Zwei Drittel des Salzes auf den Esstischen in der gesamten Türkei stammte von hier, aber die Abbauanlagen und Verarbeitungsbetriebe befanden sich weiter nördlich oder am anderen Ufer. Die Gegend, die Steyl ausgewählt hatte, war verlassen, wie der Pilot angekündigt hatte. Zugleich lag sie nur weniger als eine Autostunde von Konya entfernt. Wieder eine Feder, mit der sich der Pilot schmücken konnte. Und wieder eine Bestätigung für Zahed, eine gute Wahl getroffen zu haben.
Augenblicke später durchdrang das Geräusch des Flugzeugmotors die Stille – anfangs nur ein kaum hörbares Summen, das sich zu einem betäubenden Dröhnen steigerte, als die Maschine dicht über die geparkten Wagen hinwegflog, die Trägheitsabscheider aufgestellt, um das Eindringen von aufgewirbeltem Salz in die Triebwerke zu verhindern. Das Fahrwerk streifte um ein Haar das Dach des vorderen Wagens, ehe es sanft aufsetzte. Zahed hatte sich bereits abgewandt, um in einen der Geländewagen zu steigen, während Steyl vor ihnen die Schubumkehr einschaltete und die Bremse betätigte.
Die beiden Wagen beschleunigten stark und jagten dem Flugzeug nach. Keine siebenhundert Meter weiter kamen sie neben der Maschine zum Stehen.
Das Umladen dauerte nicht lange. Die Propeller rotierten noch, während die Männer zuerst die Kisten mit den Kodizes von der Ladefläche und den Rücksitzen der beiden Wagen verluden. Dann war ihre menschliche Fracht an der Reihe.
Reilly.
Sie trugen ihn zum Flugzeug und legten ihn hinter eine Trennwand am hinteren Ende der Kabine.
Noch immer bewusstlos. Aber am Leben.
Genau wie der Iraner ihn haben wollte.
Kaum vier Minuten nach der Landung hob die Cessna bereits wieder ab. Und eine Stunde und elf Minuten später landete sie in Diagoras, wo sie wiederum nicht länger als zwanzig Minuten Aufenthalt hatte. Der Mann vom Flughafenpersonal, der an die Maschine kam, war derselbe, mit dem Steyl es bei seiner ersten Landung auf Rhodos zu tun gehabt hatte. Er brauchte das Flugzeug nicht noch einmal zu überprüfen. Während die beiden die Formalitäten abwickelten, kauerte Zahed schweigend neben dem bewusstlosen Reilly hinter der Trennwand. Steyl gab seine Flugpapiere ab, unterschrieb die erforderlichen Dokumente, bekam das Okay und startete wieder.
In weniger als drei Stunden würden sie iranischen Luftraum erreichen.
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Kapitel Sechzig
Tess fühlte sich ganz und gar niedergeschmettert. Sie saß auf dem Rücksitz eines Humvee der Jandarma.
Nach einer schier endlosen Folge von grauenhaften Erlebnissen hatte sie endlich einen Hoffnungsschimmer gesehen, einen kleinen Lichtstrahl durch den düsteren Vorhang, der sie seit jenem schicksalhaften Tag in Jordanien zu ersticken drohte. Aber so plötzlich, wie dieser Lichtstrahl erschienen war, war er wieder erloschen. Jegliche Hochstimmung und Erleichterung waren binnen Minuten zunichtegeworden, und an ihre Stelle waren wieder schreckliche Ahnungen und Düsterkeit getreten.
Sie hasste die Hilflosigkeit, das Gefühl der Niederlage. Sie und Reilly waren doch wieder übertrumpft worden. Und vor allem graute ihr davor zu erfahren, was aus ihm geworden war. Sie konnte nicht anders, als sich das Schlimmste auszumalen. Der Iraner hatte, was er wollte – nichts hinderte ihn mehr daran, schnellstmöglich zu verschwinden. Und nichts hinderte ihn, die Pläne, die er mit Reilly hatte – wie auch immer sie aussehen mochten –, auf der Stelle umzusetzen.
Bei dem Gedanken drehte sich ihr der Magen um.
Der Lärm der Schießerei hatte schnell die örtliche Polizei auf den Plan gerufen, und wenig später war die Jandarma eingetroffen. Der Iraner und seine Handlanger hatten die Leiche ihres Kameraden mitgenommen, aber es blieben dennoch reichlich Spuren der blutigen Schießerei im Haus der alten Frau zurück. Der Anblick hatte den Offizier der Jandarma nur noch wütender gemacht. Tess hatte teilnahmslos dagesessen, während er ihr die Leviten las dafür, dass sie das Hotel in Zelve
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