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Dogma

Dogma

Titel: Dogma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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unerlaubt verlassen hatte; sie hatte sich naiv gestellt und erwidert, sie habe nur getan, was Reilly wollte. Zugleich hatte sie sich alle Mühe gegeben zu vertuschen, welche Rolle die alte Frau gespielt hatte, und gehofft, diese werde ihrem Beispiel folgen und weder die Evangelien noch den Fund in der Krypta der Felsenkirche erwähnen.
    Es schien zu funktionieren. Sie und die alte Frau wurden auf die örtliche Polizeiwache gebracht, zu ihrem eigenen Schutz und zweifellos auch für weitere Befragungen. Tess war bei ihrer Unaufrichtigkeit nicht wohl gewesen, immerhin waren diese Polizisten ihre einzige Hoffnung, aber sie sagte sich, das, was sie verschwieg, hätte für ihre Arbeit ohnehin keine Rolle gespielt. Jetzt konnte sie nichts mehr tun, als abzuwarten – und zu hoffen. Vielleicht gelang es den Behörden, alle Grenzen zu schließen, ehe der Iraner außer Landes war. Vielleicht hatten sie Glück und konnten ihn an einer Straßensperre aufhalten. Oder an einem Grenzübergang oder einem Flugplatz.
    Sie rieb sich die Augen und massierte sich die Schläfen, um die quälenden Sorgen zu vertreiben. Solche Gedanken brachten sie nicht weiter, sie beschworen nur grauenvolle Bilder von einem blutigen Zusammenstoß herauf, der für den Mann, den sie liebte, womöglich fatal geendet hatte.
    «Verzeihen Sie mir», sagte die alte Frau. Ihre sanften Worte holten Tess aus ihrer tiefen Verzweiflung in die Gegenwart zurück.
    «Verzeihen – was denn?»
    «Wenn ich meine Enkelin nicht geschickt hätte … Wenn ich mich herausgehalten hätte … dann wäre das alles nie geschehen.»
    Tess zuckte die Schultern. Sicher, an den Worten war etwas Wahres. Sie und Reilly hätten in diesem Moment im Flugzeug zurück nach New York sitzen können. Aber so spielte das Leben nun einmal. Auf Schritt und Tritt lauerten unbeabsichtigte Folgen, und es hatte wenig Sinn, sich mit Reue zu quälen.
    «Dies ist noch nicht das Ende», erwiderte Tess und versuchte, sich selbst davon zu überzeugen.
    Die Miene der alten Frau hellte sich ein wenig auf. «Meinen Sie?»
    «Es gibt immer einen Weg. Und Sean ist normalerweise ziemlich gut darin, solche Wege zu finden.»
    Die alte Frau lächelte. «Ich hoffe, Sie haben recht.»
    Tess rang sich ebenfalls ein schwaches Lächeln ab und versuchte, die Gedanken an den schlimmstmöglichen Ausgang auszublenden. Auch wenn sie wusste, dass er nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich war.

[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel Einundsechzig
    Reilly kam mit einem Schlag wieder zu Bewusstsein, fuhr zurück und atmete scharf ein. Ein beißender Geruch stach ihm in der Nase, ein widerlicher Gestank, der ihn an verwesende Leichen erinnerte. Er riss die Augen auf, und was er sah, durchdrang augenblicklich den Nebel in seinem Kopf.
    Der Iraner war da, leibhaftig, nur Zentimeter vor seinem Gesicht, und hielt ihm das kleine Fläschchen sehr viel länger als nötig unter die Nase. Der Mann schwitzte und blinzelte nervös, aber offensichtlich fand er Vergnügen daran, Reilly zu quälen. Schließlich nahm er das Ammoniakfläschchen weg, richtete sich auf und trat einen Schritt zurück, sodass Reilly seinen Entführer in voller Größe sehen konnte.
    «Ah, Sie sind wieder bei sich», stellte der Iraner fest. «Sehr gut. Ich wollte auf keinen Fall, dass Sie die Show verpassen.»
    Reilly verstand nicht, wovon der Mann sprach. Sein Gehirn brauchte lange, um die bloßen Worte zu verarbeiten. Was er hörte, klang nicht gut. Seine Gedanken wanderten zu Tess, und er blickte sich um in der Befürchtung, sie ebenfalls hier zu sehen. Keine Spur von ihr.
    «Nein, sie ist nicht hier», sagte der Iraner, als habe er Reillys Gedanken gelesen. «Wir hatten keine Zeit, nach ihr zu suchen. Aber ich bin sicher, irgendwann läuft sie mir wieder über den Weg. Das wäre mir wirklich ein Vergnügen.»
    Reilly begann innerlich zu kochen, aber er ließ sich nichts anmerken. Er gönnte dem Iraner nicht die Genugtuung, zu sehen, wie sehr die Situation ihm zusetzte. Stattdessen grinste Reilly und wollte etwas sagen, aber seine Lippen waren so trocken und aufgesprungen, dass er nichts herausbrachte. Nachdem er sie mit der Zunge befeuchtet hatte, sagte er: «Ich glaube, das wäre keine gute Idee. Sie hat keine schwulen Freunde.»
    Der Iraner holte blitzschnell aus und versetzte Reilly einen Faustschlag gegen den Wangenknochen.
    Reilly wartete ab, bis der Schmerz ein wenig nachließ, dann wandte er das Gesicht wieder seinem Widersacher zu und rang sich ein

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