Dogma
darüber erfahren, weshalb es zu dieser Ungeheuerlichkeit gekommen ist», grollte Brugnone. «Agent Reilly – wie wäre es, wenn Sie uns jetzt erzählten, was Sie uns gleich zu Anfang hätten erzählen sollen?»
Reilly spürte, wie sich heftige Kopfschmerzen ankündigten. «Ich werde Ihnen alles erzählen, was ich weiß, aber auch ich kenne nicht die gesamten Fakten. Wir werden auch mit Tess – Miss Chaykin dort drüben – sprechen müssen, um uns ein vollständiges Bild machen zu können.»
«Wollen wir sie nicht gleich dazubitten?», schlug der Kardinal vor.
«Ich weiß nicht, ob sie schon in der Verfassung dazu ist», wandte Reilly ein.
Der Kardinal starrte ihn durchdringend an. «Das sollten wir sie vielleicht selbst fragen, wie?»
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Kapitel Elf
«Alles fing in Jordanien an», begann Tess ihren Bericht.
Die Erinnerung an das Geschehene wieder heraufzubeschwören war im Augenblick das Letzte, wonach ihr war. Sie fühlte sich noch immer ausgelaugt. Doch sie verstand, dass es wichtig war. Die Männer im Raum – Reilly, der italienische FBI -Mann, Kardinal Brugnone, Inspektor Delpiero, der Archivar Bescondi und die beiden Beamten von der Antiterroreinheit – sie alle mussten erfahren, was sie durchgemacht hatte. Sie musste ihr Möglichstes dazu beitragen, dass der Kerl, der für all das verantwortlich war, gefasst und Simmons befreit wurde; sie hoffte inständig, dass er noch am Leben war. Aber wie lange noch? Das war eine Frage, an die sie gar nicht denken mochte.
«Ich war mit einem anderen Archäologen, Jed Simmons, bei einer Ausgrabung draußen in der Nähe von Petra, die Brown University in Rhode Island unterstützt das Projekt, und –» Sie unterbrach sich selbst, rief sich ins Bewusstsein, dass sie sich an das Wesentliche halten musste und nicht abschweifen durfte. «Jedenfalls, irgendwann tauchte dieser iranische Historiker auf, ein Bekannter eines Bekannten von Jed.»
«Behrouz Sharafi», warf Reilly ein.
Tess nickte. «Ja. Ein liebenswürdiger Mensch, eher der stille Typ, aufmerksam und ungemein belesen.» Reilly hatte ihr bereits von Sharafis Schicksal berichtet, und der Gedanke daran, dass er tot war, jagte Tess weitere Schauder über den Rücken. Mit eiserner Selbstbeherrschung fuhr sie fort: «Sharafi war einer Sache auf der Spur und brauchte Hilfe. Dieser Bekannte hatte ihm den Tipp gegeben, sich an Jed zu wenden, weil – na ja, bei Jeds Arbeit in Petra ging es zwar um nabatäische Geschichte, aber er ist auch einer der weltweit wichtigsten Experten für den Templerorden. Das war auch der Grund, weshalb ich dort war.»
Sie bemerkte, dass Brugnone aufhorchte und einen Seitenblick zu Reilly warf, als finge er an, sich etwas zusammenzureimen.
«Tess – Miss Chaykin – ist Archäologin», erklärte Reilly den Übrigen. «Das heißt eine abtrünnige Archäologin. Jetzt schreibt sie Romane. Und in ihrem ersten Buch ging es um die Templer.»
«Es ist ein historischer Roman», präzisierte Tess, die plötzlich ein Gefühl hatte, als würde der Raum um sie herum enger.
Sie blickte in die Gesichter der anderen und bemerkte Brugnones Reaktion. Für ihn schien das, was sie und Reilly eben erwähnt hatten, nichts Neues zu sein.
«Ihr Buch …» Der Kardinal musterte sie scharf. «Wenn ich mich nicht irre, war es ein ziemlicher Erfolg.»
«Ja, durchaus.» Tess nickte, geschmeichelt, aber zugleich ein wenig unbehaglich. Sie wusste, worauf er anspielte. Ihr Roman, ein Thriller, der in der Zeit der Kreuzzüge spielte, war zwar als reine historische Fiktion aufgenommen worden, aber in Wirklichkeit war die Geschichte nicht allein ihrer Phantasie entsprungen, und ihr war klar, dass Brugnone das wusste. Sie fühlte sich beinahe schuldig und musste sich selbst daran erinnern, nichts Unrechtes getan zu haben. Sie hatte sich an das gehalten, worauf sie und Reilly sich geeinigt hatten – die Sache für sich zu behalten und niemandem, insbesondere nicht Brugnone oder Reillys Chef beim FBI , zu erzählen, was wirklich in jenem Sturm und später auf der griechischen Insel geschehen war. Aber das bedeutete nicht, dass sie nicht das, was sie erlebt und was sie dabei über die Templer herausgefunden hatte, als Grundlage für einen Roman verwenden konnte – einen recht erfolgreichen, wie sich herausstellte. Doch nur die radikalsten Verschwörungstheoretiker wären jemals auf die Idee gekommen, das Ganze beruhe auf realen historischen Ereignissen. Dieser Roman war für Tess
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