Dogma
Flugaufsicht würde Steyl in Kürze das Okay für die nächste Stufe der Flughöhe geben, und wenn er darauf nicht prompt wieder in den Steigflug ging, würden sie anfangen, Fragen zu stellen. Mit wenigen Schritten war Zahed bei dem Feuerwehrmann, bückte sich, packte ihn unter den Achseln und zerrte ihn hoch, wobei er unter dem Gewicht des Mannes ächzte. Plötzlich begann der Feuerwehrmann sich zu regen. Er war benommen, aber nicht bewusstlos. Kraftlos schlug er um sich. Zahed verstärkte seine Anstrengung. Halb trug, halb schleifte er den Mann zur Kabinentür, wobei er sich seitlich von ihm hielt, falls der Mann sich plötzlich aufbäumte. Doch er blieb schlaff. Bei der Tür angekommen, ließ Zahed ihn auf den Boden sacken, dann packte er ihn an den Beinen und begann zu schieben.
Zuerst ragte der Kopf des Feuerwehrmannes aus der Öffnung. Sofort riss der starke Luftstrom ihn heftig herum, was den Mann aufrüttelte und seine Sinne belebte. Wahrscheinlich wäre es ihm lieber gewesen, in seinem Dämmerzustand zu bleiben. Er riss die Augen auf, und nach einem kurzen Moment der Verwirrung wurde ihm klar, was ihm da widerfuhr. Er starrte an dem Flugzeugrumpf entlang, dann stemmte er sich gegen den Wind und blickte ins Innere, wo Zahed ihn fest an den Beinen gepackt hielt – und weiter schob.
Eine Sekunde lang trafen sich ihre Blicke, lange genug, dass Zahed das grenzenlose Entsetzen im Gesicht des Feuerwehrmannes sah, dann versetzte er ihm einen letzten Stoß. Der Körper des Mannes stürzte aus dem Flugzeug und war sofort verschwunden, nur für einen Sekundenbruchteil war noch ein Schrei zu hören. Zahed hielt sich fest, denn im selben Moment sackte die Nase des Flugzeugs abrupt ab, da der Schwerpunkt nach vorn verlagert war – Steyl hatte ihn vorgewarnt, dass das geschehen würde. Gleich darauf hatte der Pilot die Maschine wieder unter Kontrolle. Zahed drehte sich zum Cockpit um. Steyl erwiderte den Blick. Zahed nickte, Steyl ebenfalls, dann wandte er sich wieder nach vorn.
Zahed spürte, wie das Flugzeug sich leicht nach links drehte, als stünde es auf einem Drehtisch, der gegen den Uhrzeigersinn bewegt wurde. Steyl flog die Conquest im Seitengleitflug, sodass die Längsachse des Rumpfes leicht von der Fluglinie abwich. Dadurch traf der Luftstrom die Maschine nicht mehr frontal, sondern von der Windseite her, und drückte von hinten gegen die offenen Klappen der Tür, wodurch diese in eine beinahe horizontale Lage gebracht wurden und leicht zu erreichen waren. Zahed war bereit. Er griff nach dem größeren Teil, der unteren Klappe, zog ihn hoch und schloss die Verriegelung. Anschließend zog er den oberen Teil herunter und verriegelte ihn ebenfalls. Der Lärm im Inneren wurde augenblicklich gedämpft, das orkanartige Dröhnen schrumpfte zu einem Summen wie von einem Rasenmäher. Zahed entspannte sich und atmete tief durch. Als er sich umdrehte, erschien Steyls Gesicht im Durchgang zum Cockpit. Der Pilot streckte anerkennend den Daumen hoch. Zahed erwiderte die Geste und holte noch einmal tief Luft.
Er ließ sich in seinen Sitz zurücksinken, und das kleine Flugzeug ging wieder in den Steigflug. Zahed spürte, wie der Druckausgleich einsetzte. Er schloss die Augen und ließ seinen Kopf gegen die weich gepolsterte Nackenstütze zurücksinken, ganz berauscht von dem überwältigenden Gefühl, das ihn eben durchströmt hatte. Mansoor Zahed hatte Dinge erlebt, die sich die meisten Menschen nicht einmal im Traum hätten vorstellen können, aber so etwas hatte er noch nie getan. Es erforderte einiges, seinen Puls in die Höhe zu treiben, doch jetzt raste er tatsächlich. Zahed fühlte sich wie elektrisiert. Er atmete noch einmal tief durch und prägte sich diese Empfindung ein. Es war eine herrliche Erkenntnis, dass es selbst für jemanden wie ihn noch Neues zu erleben gab.
Er und Steyl hatten ein paar Jahre zuvor darüber gesprochen, als er den Südafrikaner zum ersten Mal für eine seiner Unternehmungen angeheuert hatte. Sie hatten von der Möglichkeit geredet, dass so etwas einmal vorkommen könnte. Eines Nachts, bei ein paar Bieren, hatte Steyl Zahed von seiner Zeit im Buschkrieg in Angola erzählt, wo er mit einer alten Cessna Caravan UNITA -Rebellen beförderte. Er hatte berichtet, ein beliebter Zeitvertreib der Rebellen sei es gewesen, ein paar gefangengenommene SWAPO -Männer – Vertreter der von sowjetischer und kubanischer Seite unterstützten Regierung, gegen die sie kämpften – mit in das Flugzeug
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