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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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und Söhnen von sozial Benachteiligten,
     von verschuldeten Underdogs, von Säufern, Süchtigen und
     Spielern, kurz: von Existenzen ohne Perspektive, die am äußersten
     Rand der Gesellschaft lebten.
    »Die Avantgarde jener
     Sorte Mensch, die ihre Kinder verkaufte, war schnell gefunden«, kam
     Salma Schleißheimer auf den Punkt. »Karl Heinrich, Vater von
     zwei Mädchen, bot sich der Quadriga wegen seiner Trunk- und
     Spielsucht auf dem Präsentierteller an. Der originelle
     Wuschzn-Charly, dessen DNA auf jedem Spieltisch und jeder Theke im
     Gasteiner Tal zu finden war, hatte null Verantwortungsbewusstsein, dafür
     aber einen Berg von Schulden. Außerdem – und das war der
     springende Punkt, der es den Verführern leicht machte – war er
     als Kind selbst missbraucht worden und missbrauchte nun auch seine ältere
     Tochter.«    
    »Lotte?«,
     vergewisserte sich Kotek.
    »Ja, Lotte. Genau weiß
     ich’s bis heute nicht, aber sie dürfte erst zehn oder elf Jahre
     alt gewesen sein, als das mit ihrem Vater losging. Elsa, die nervenkranke
     Mutter, hatte die Familie zu dem Zeitpunkt bereits verlassen und es
     irgendwann geschafft, sich umzubringen.
    Es brauchte nur zwei, drei
     Einladungen auf Häuslschmieds Jagdhütte – die gehört
     heute übrigens Johnny –, dann hatte man Charly so weit. Die
     Quadriga finanzierte ihn und seine Gasthaus- und Casinobesuche, und er
     schickte im Gegenzug dafür die dreizehnjährige Lotte zu Häuslschmieds
     Jagdhütte, die ursprünglich eine Almhütte gewesen war und
     deshalb ausreichend Platz bot.   
    Aber Lotte blieb nicht die
     einzige minderjährige Sexsklavin. Bald hatte man vier Mädchen
     und zwei Jungs an der Hand. Die Jungs und das jüngste Mädchen
     waren elf, das älteste vierzehn. Und ich sag’s gleich dazu: Ich
     war die Vierzehnjährige, aber mich hat niemand zwingen müssen.«
    »Ihre Mutter war
     alleinerziehend?«, fragte Kotek ahnungsvoll.
    »Ja, sie war Kellnerin.
     Schuftete wie ein Pferd, um den Schuldenberg abzutragen. Schulden, die ihr
     mein Erzeuger hinterlassen hatte, ehe er sich auf Nimmerwiedersehen
     vertschüsste. Die Bankzinsen fraßen jeden mühsam zur Seite
     gelegten Schilling auf. Manchmal begleitete ich meine Mutter auf die Bank.
     Eines Tages war es dann vorbei mit dem demütigenden Betteln um
     Stundung der Zinsen. Muss ich darauf noch näher eingehen?«
    »Ich nehme an, Herr
     Regenmandl wurde auf Sie aufmerksam und fütterte Sie mit Gefälligkeiten
     an. Kann man das so sagen?«
    »Treffender kann man’s
     nicht beschreiben. Ich lernte rasch, dass Armut kein gottgegebenes
     Schicksal sein muss, wenn man rigoros einsetzt, was man zur Verfügung
     hat.«
    »Ein ziemlich zynischer
     Standpunkt«, warf Kotek ein.
    »Aber ist er deshalb
     weniger richtig?«, konterte Salma Schleißheimer.
    »Bleiben wir beim Geld«,
     sagte Kotek, ohne auf ihre Sophisterei einzugehen. »Wie konnten sich
     die vier Männer das alles leisten? Ich meine, es kostete sicher nicht
     wenig, die Eltern mehrerer Kinder auf Linie zu halten.«
    »Die Quadriga hatte
     genug Geld. Der Reichste war damals sicher Dr. Czerwenka senior. Dessen
     Vater, ebenfalls Anwalt und Notar, hatte unmittelbar nach dem Zweiten
     Weltkrieg eine ebenso rätselhafte wie ergiebige Geldquelle aufgetan.
     Trotzdem stürzte er sich noch zusätzlich in extrem hohe
     Schulden, um alles an Immobilien und Grundstücken zu kaufen, was er
     ergattern konnte. Dann kam die Währungsreform in Österreich
     – in den bekannten zwei Etappen. Die Ersparnisse schrumpften zunächst
     auf die Hälfte, dann auf ein Sechstel ihres ursprünglichen
     Wertes zusammen, die Schulden allerdings auch. Grundstücks- und
     Immobilienpreise kletterten dagegen langsam, aber stetig in die Höhe.
     Der Sohn, der heute selbst bereits neunzig Jahre alt ist, vermehrte den
     vom Vater geschaffenen Reichtum weiter, hauptsächlich durch
     Spekulationen in den achtziger Jahren. Damals verfielen die vier auch auf
     ihre perverse Idee.«
    »Und dieser Arzt, wie
     hieß er doch gleich?«
    »Dr. Bruno Donati.«
    »Und Donati war also
     auch reich?«
    »Hm, vielleicht war er
     es mal vor Jahrzehnten, aber seine Kokainsucht hat Unsummen verschlungen.
     Während Johnny und die anderen immer wohlhabender wurden, war er Ende
     der Achtziger sicher der von der Gruppe, der am wenigsten liquide war.
     Wahrscheinlich aber warfen seine Praxis und die Frühstückspension
     seiner Frau gerade noch so viel ab, dass er seine

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