Dohlenflug
ich ja, wie Sie zu ihm standen. Umso mehr wundert mich, wie bereitwillig
Sie jetzt über die Vorgänge auf der Laderdinger Alm auspacken.
Letztlich war auch Ihr Geliebter Regenmandl darin verstrickt. Die damals
begangenen Delikte auf der Laderdinger Alm sind zwar verjährt, aber
Linz kann er sich damit trotzdem abschminken, und auch als Filialleiter dürfte
er nicht mehr tragbar sein. Missverstehen Sie mich jetzt bitte nicht! Natürlich
bin ich Ihnen für Ihre kooperative Haltung dankbar, aber ich dachte,
Sie lieben Ihren Jean Pierre?«
Salma Schleißheimer
lachte böse auf. »Johnny und mich verbindet vieles: die
dreckige Vergangenheit, Leidenschaft, sexuelle Praktiken, ein ähnlicher
Charakter, aber eines ganz sicher nicht: Liebe. Liebe zwischen Mann und
Frau, das kenne ich überhaupt nur aus Büchern und Filmen.
Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – verbinde ich damit
auch Achtung und Respekt. Denn lieben kann ich doch nur jemanden, der mir
etwas wert ist, oder? Und gegenseitiger Respekt …? Nein, Respekt
hat zwischen Johnny und mir nie existiert.« Und bitter fügte
sie hinzu: »Uns verbindet das Bett, sonst nichts.«
Ein sauberes Pärchen,
dachte Melanie Kotek in einer Anwandlung bourgeoiser Überheblichkeit.
Er wollte in ihr Haus einbrechen, um sich gestohlene Unterlagen zurückzuholen,
und sie hängt ihn sofort bei der Kripo hin, weil er, von der Bachblüten-Lotte
dazu gezwungen, ihr Alibi anzweifelt.
»Eine andere Frage: Ihr
Mann war niemals Gast bei diesen Missbrauchsorgien auf der Laderdinger
Alm, oder?«
Salma Schleißheimer schüttelte
energisch den Kopf. »Nein. Leute von hier oder aus der näheren
Umgebung wurden nie eingeladen. Viel zu riskant. Man hat nur ortsfremde
Geschäftsfreunde mit einschlägigen Neigungen auf die Alm
mitgenommen. Als das Ganze damals anlief, war Fredl übrigens noch an
der Sparkasse in Zell am See beschäftigt. Als er später nach
Hofgastein versetzt wurde, wusste Johnny über seine Veruntreuungen längst
Bescheid und hätte einen so unsicheren Kantonisten wie ihn nie ins
Vertrauen gezogen. Von Häuslschmieds Jagdhütte und ihrem
perversen Verwendungszweck hat Fredl erst aus Johnnys Laptop erfahren. Ich
sage es Ihnen gern noch einmal: Sie sind auf dem Holzweg, wenn Sie Johnny
im Visier haben. Es stimmt, dass er sich irrsinnig über Fredl und
seine Haushälterin Vesna geärgert hat, aber er ist ein viel zu kühler
Rechner, um deshalb einen Mord zu begehen.«
»Frau Schleißheimer,
Ihr Johnny vertraut Ihnen nicht alle seine Geheimnisse an, das haben Sie
ja heute selbst erlebt. Möglicherweise deckt sich Ihr Wissensstand
nicht mit dem Ihres Mannes in den letzten Wochen. Oder kennen Sie den
Inhalt aller Kopien, die Ihr Mann im Haus Ihres Geliebten gezogen hat?«
Jetzt schwieg Salma Schleißheimer.
Entweder, weil sie den Inhalt der Kopien kannte, oder weil sie nicht
zugeben wollte, dass Regenmandl sie, seine Geliebte, außen vor
gelassen hatte.
»Wann wird die Leiche
meines Mannes zur Verbrennung freigegeben?«, wollte sie schließlich
nach etlichen zäh dahintropfenden Sekunden wissen.
Die Frage war die klassische
Übersprungshandlung. Jetzt wusste Kotek, wo sie dranzubleiben hatte.
»Sie werden sofort benachrichtigt, wenn es so weit ist, Frau Schleißheimer.
Ich nehme an, Sie wünschen eine einfache, diskrete Bestattung?«
»Allerdings, ich werde
meines Lebens nicht mehr froh, ehe dieser Albtraum nicht ausgestanden ist.«
»Ich glaube eher, Sie
werden Ihres Lebens nicht mehr froh, weil Sie Ihr Wissen immer nur löffelweise
preisgeben.«
»Ich habe Ihnen
wirklich alles gesagt, was ich weiß. An Spekulationen beteilige ich
mich nicht, da müssen Sie schon andere fragen.«
»Okay, dann kommen Sie
bitte morgen noch einmal auf den Posten, um das Protokoll zu
unterschreiben.«
14
KOTEK UND FEUERSANG hatten Glück.
Trotz ungünstiger Tageszeit – es war bereits achtzehn Uhr
abends – war noch ein schöner Erkertisch im gut besuchten
»Goldberg-Stüberl« frei. Ohne Vorbestellung lief in der
kleinen Gaststätte normalerweise gar nichts, aber einige Damen des
Kulturvereins hatten kurzfristig abgesagt, was den beiden ausgehungerten
Kriminalbeamten jetzt zugutekam. Kotek gustierte nicht lange in der
umfangreichen Speisekarte.
»Das Abendmenü,
bitte«, bestellte sie bei der beflissen herbeigeeilten Juniorchefin.
»Und ein Viertel Obi
Weitere Kostenlose Bücher