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Dohlenflug

Dohlenflug

Titel: Dohlenflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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konfrontiert? Wusste sie etwas davon?«,
     fragte Kotek und sah dabei angelegentlich zu Chrissie hinüber. Täuschte
     sie sich, oder hatte ihr Blick tatsächlich einen lauernden Ausdruck
     angenommen? Oder war es doch nur normale Neugier?
    »Das müsst ihr
     selbst rausfinden, ob sie etwas davon gewusst hat«, verwahrte sich
     Stubenvoll. »Ich persönlich habe es subjektiv so erlebt, als
     fiele diese seltsame Frau aus allen Wolken. Aber diesbezüglich sind
     wir ja schon öfter mit Grimme-Preis-verdächtigen Darstellungen
     konfrontiert gewesen.«
    »Warum nennst du die
     Frau seltsam, Oliver? Du nimmst ungewöhnlich viel Anteil an diesem
     Fall, so kennt man dich ja überhaupt nicht. Irgendwas geistert dir
     doch im Kopf rum. Wir sind ein Team, Oliver, also raus damit!«
    »Tja … hm. Also
     gut. Gestern hat die Frau oben bei der Rettenwänd-Hütte –«
    »Du meinst Resi
     Neuhuber. Was ist mit ihr?«
    »Neuhuber, genau. Mir
     war der Name entfallen. Diese Zeugin hat jedenfalls die mediale Begabung
     der Bachblüten-Lotte erwähnt«, begann Stubenvoll
     vorsichtig. »Ich war noch in der Hütte, und ihr beide habt draußen
     auf der Bank gesessen, aber ich hab es zufällig gehört.«
    »Stimmt, die Neuhuber
     hat so was in der Art gesagt. Und weiter?«
    »Vorhin haben Werner
     und ich, wie gesagt, der Bachblüten-Lotte die Baby-Nutten-Karriere
     ihrer Tochter aufs Auge gedrückt. Sie hat das stumm zur Kenntnis
     genommen und ist, ohne sich noch weiter um uns zu kümmern, vor das
     Haus hinausgegangen und hat auf der gepflasterten Zufahrt mit ein paar Spänen
     Feuer gemacht. Als die ersten Flammen knisterten, hat sie den Kopf geschüttelt
     und traurig gesagt: ›Nein, nicht geräuschvoll wie Feuer kommst
     du, sondern lautlos wie eine Dohle im Flug, und schon bist du nahe!‹
     – Seither sitzt sie dort, Pfeife rauchend mit untergeschlagenen
     Beinen, legt Holz nach, wirft von Zeit zu Zeit getrocknete Kräuter
     ins Feuer und fächert mit einem Rabenflügel abwechselnd den
     Rauch in die vier Himmelsrichtungen und sich selbst ins Gesicht. Dazu
     intoniert sie … nun, so einen immer wiederkehrenden Singsang, wie
     man ihn von Schamanen in Indianerfilmen kennt.«
    »Von …? Okay,
     Oliver, das klingt alles sehr abgefahren, aber komm jetzt bitte zum
     Wesentlichen.«
    »Das ist ihr
     Sterbegesang.«
    »Ihr Sterbegesang?«
     Kotek wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. »Das hat sie
     gesagt?«
    »Ja. Sie behauptet
     steif und fest, der Mörder von Fredl Schleißheimer würde
     auch sie töten, und zwar bald. Ihre Tochter sei ebenfalls in großer
     Gefahr, stünde aber unter einem mächtigen Schutz, deshalb könne
     ihr der Mörder nichts anhaben. Und ehe du mit der Vermutung
     daherkommst, dass die Frau uns etwas vorspielt, sage ich dir, du müsstest
     sie jetzt sehen. Auf ihrer Stirn stehen dicke, trübe Schweißperlen.«
    »Na ja, die hatte sie
     vorhin während der Vernehmung auch schon«, wandte Kotek ein.
     »Ihr ständig feucht glänzendes Gesicht sagt mir eher was
     ganz anderes: Sie säuft, ist auf Drogen oder beides.«
    »Dein zynischer
     Pragmatismus ist diesmal wirklich fehl am Platz«, empörte sich
     Stubenvoll, der aus einer erzkatholischen Familie stammte und für den
     Kirche, Heimat und Familie an vorderster Stelle standen. »Ich sag
     dir, die Frau hat Todesangst, und der Schweiß auf ihrer Stirn hat
     sicher nichts mit dem eines Alkoholikers oder Junkies zu tun. Er ist nicht
     nur trüb, sondern auch auffällig dunkel.«    
    »Meinst du etwa
     dunkelrot? So wie der blutige Schweiß von Christus am Ölberg?«
    »Ich wusste, du würdest
     dich darüber lustig machen. Aber als Verantwortliche im Fall Schleißheimer
     solltest du ihre massive Angst nicht nur als skurrile Fußnote abtun.«
    Stubenvoll, der Chef der
     Spusi, gehörte nicht zum Sechserpack, dem engeren Kreis um Jacobi.
     Koteks Bemerkung vom blutigen Schweiß war natürlich eine Spitze
     wider seinen Versuch gewesen, die Ermittlungen mit einem Hauch Mystik zu
     versehen. Trotzdem schätzte sie seine Erfahrung zu sehr, als dass sie
     die Beobachtung einfach ignoriert hätte. Jeder im Referat wusste
     zudem, dass Jacobi derart bizarre Einsprengsel bei Ermittlungen besonders
     berücksichtigt haben wollte. Wehe, man – oder frau –
     unterließ das!   
    »Tu ich ja nicht,
     Oliver«, sagte Kotek deshalb. »Dann biete Frau Heinrich jetzt
     Polizeischutz an – für die nächsten drei Tage. Die Kosten
     wird das

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