Dohlenflug
durchtriebenes Luder. Setzte ihren
Körper ein wie eine Droge und machte ihn zum willenlosen Trottel.
Bei dem Gedanken, wie viel
Geld sie ihm heute wieder abluchsen würde, schluchzte er zornig auf.
Und warum schon wieder ein Handy? Sie hatte doch neulich erst eines
bekommen! Aber dafür, dass sie ihn letztlich wieder an sich ranlassen
würde, würde er fast alles tun.
Der Nachschlüssel für
die Rettenwänd-Hütte war überflüssig, da ein
Reserveschlüssel immer unter einer Steinplatte vor der Hüttentür
lag. Er hatte ihn trotzdem anfertigen lassen – vorsichtshalber. Von
ihm als anrüchigem Einlieger hatte natürlich niemand eine
Ahnung, am allerwenigsten der Besitzer. Die einstige Almhütte lag
abseits der Gadaunerer Hochalm auf einem Höhenrücken nahe der
Waldgrenze. Wie ihr Name schon andeutete, war sie nicht leicht zu
erreichen. Vor etlichen Jahren war es noch gar nicht möglich gewesen,
bis vor die Hüttentür zu fahren – nicht einmal mit einem
Offroader.
Der Forstweg dorthin zweigte
zunächst von der Gadaunerer-Hochalm-Straße auf halber Strecke
links ab, stieg dann, weil ursprünglich nur zur Holzbringung
angelegt, sehr steil an und führte schließlich in einer kühnen
Schleife zur Hütte. Es war nicht ratsam, ihn mit einem gewöhnlichen
Pkw zu befahren, weshalb die Hütte auch nicht zu den touristischen
Rennern zählte, selbst die Besitzer nutzten sie nur gelegentlich zur
Jagd oder vermieteten sie. Schleißheimer wusste fast immer, wann sie
verfügbar war und wann nicht. Resi Neuhuber, die Frau des Eigners,
kam zwei Mal wöchentlich in den Schalterraum der Linzer Sparkasse und
quasselte dann mindestens eine Viertelstunde mit ihm über Gott und
die Welt. Es bedurfte nur einiger gezielter Fragen seinerseits, um
Bescheid zu wissen.
Auch an diesem letzten
Samstag im September nahm niemand von den Befugten die Hütte in
Anspruch, da die Neuhubers vollauf mit den Vorbereitungen für das
Erntedank-Spektakel beschäftigt waren.
In seinem kleinen Geländefahrzeug
nahm Schleißheimer die erste steile Kurve, die den Anstieg zu den
Gadaunerer Hochalmen markierte, und bog fünfzehn Minuten später
in den Stichweg zur Rettenwänd-Hütte ein. Er war ein guter
Fahrer und verfügte über einen Wagen, der den Anforderungen des
Innergebirgs gewachsen war. Rasch hatte er die Kehre erreicht, aber das
traumhafte Panorama hinauf zum Schwalbenkar würdigte er mit keinem
Blick.
Als er vor der zum Chalet
adaptierten Almhütte hielt, sah er sofort, dass die Tür einen
Spaltbreit offen stand.
Eine solche Nachlässigkeit
passte gar nicht zu ihr! Sie war nicht nur ein durchtriebenes Luder,
sondern normalerweise auch extrem vorsichtig. Niemand sonst wusste etwas
von ihren Aktivitäten als Babystricherin, am allerwenigsten ihre
Mutter.
»Hallo, mein Kätzchen?«
Keine Antwort. Er schob die Tür ganz auf. Eine Gestalt erhob sich vom
Rand der Sitzecke.
2
WIEDER EINMAL hatten die
Veranstalter Riesenglück. Die Prognose der Wetterfrösche für
den Sonntag hielt, sodass unter den Klängen einer der vielen
Blaskapellen auf dem Kaiser-Franz-Platz die Herreiter an einem traumhaften
Frühherbstnachmittag einzogen. Ihre Schnalzer-Sinfonien mit den
meterlangen schweren Peitschen waren einer der Höhepunkte des
Erntedankumzugs, dazu zeigten circa vierzig Wagengespanne Historisches und
Aktuelles aus dem bäuerlichen Leben. Unvermeidlich dabei – wie
bei allen derartigen Veranstaltungen – war der rege Fluss von
Hochprozentigem aus heimischen Destillen.
Der Platz war schwarz vor
Zuschauern. Man stand auf Tuchfühlung, ob man wollte oder nicht.
Genauso wie die Einheimischen ließen sich die von Jahr zu Jahr
zahlreicher werdenden »Bauernherbst«-Touristen nur allzu gern
von der bukolischen Stimmung umfangen. Auffällig viele Mädchen
und junge Frauen säumten die schmale Gasse, durch die die Reiter die
prächtig gezäumten Noriker lenkten.
Eines der Mädchen,
rotblond, etwa dreizehn oder vierzehn Jahre alt und viel zu mager für
sein Alter, stand in der Mündung der Weißgerbergasse zwischen
»Salzburger Hof« und »Hotel Moser«. Als einzige
Person in der Menge hatte es keine Augen für das rustikale Spektakel,
sondern starrte wie betäubt ins Leere, wobei es sein hypermodernes
Handy noch immer ans Ohr presste, obwohl der Gesprächsteilnehmer längst
aufgelegt hatte.
Ein anderer Zaungast in
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