Dohlenflug
angesichts eines so brutalen Täters nervös sind. Aber
das kann nicht entschuldigen, wie sich Chefinspektor Feuersang dem Leiter
der Linzer Sparkasse Jean Pierre Regenmandl gegenüber verhalten hat.
Sie wissen, was ich meine. Regenmandl ist einer der angesehensten Bürger
der Gemeinde und hat eine so rüde, brachiale Behandlung wirklich
nicht verdient. Wir erwarten von Ihnen Konsequenzen für Chefinspektor
Feuersang.«
»Und die zweite
Beschwerde?«, fragte Jacobi knapp.
»Die betrifft
Oberleutnant Kotek«, erklärte Zederhauser, ein wenig irritiert
durch Jacobis dürftige Reaktion. »Ihre Mitarbeiterin ist vor
einigen Minuten unangemeldet in das Haus meines Freundes«, er
deutete nach hinten, »des Notars Dr. Czerwenka in der Absicht
geplatzt, dessen neunzigjährigen Vater zu sprechen.«
»Und? Was ist daran so
schrecklich?«
»Was daran so
schrecklich sein soll? Von der Gattin meines Freundes gefragt, worum es
denn ginge, hielt sich Frau Kotek erst einmal bedeckt und verschwieg den
wahren Grund ihres Besuchs. Stattdessen entlockte sie der arglosen Evelyn
Czerwenka, dass ihr Schwiegervater es vor Jahrzehnten auf der Hütte
seines Jagdfreundes Häuslschmied oft so richtig hat krachen lassen.«
»Aber das entspricht
den Tatsachen«, unterbrach Jacobi neuerlich.
»… so richtig
hat krachen lassen«, wiederholte Zederhauser unbeirrt. »Und
zwar mit minderjährigen Jungen und Mädchen, wie Frau Kotek
dreist behauptete. Dann fragte sie im selben Atemzug noch unverfroren nach
Alexanders Alibi für die vergangene Nacht. Evelyn fiel aus allen
Wolken. Derartige ehrenrührige und noch dazu völlig unbewiesene
Anwürfe, Herr Oberst, sind ungeheuerlich und können die
Reputation selbst der seriösesten Familie arg beschädigen oder
gar zerstören. Außerdem –«
»Außerdem«,
stoppte Jacobi noch einmal seinen Redefluss, »wären solche
Vergehen ohnehin längst verjährt, wollten Sie sagen und haben
damit natürlich recht. Uns geht es auch gar nicht um die
Strafverfolgung eines Neunzigjährigen, obwohl wir einen Augenzeugen
haben. Aber die Vorkommnisse auf dem Alpl könnten in unmittelbarem
Zusammenhang mit den beiden Morden stehen, und deshalb werden sich die
Czerwenkas schon die eine oder andere Frage gefallen lassen müssen.«
Dr. Czerwenka war inzwischen
ebenfalls näher gekommen und hatte Jacobis letzte Worte gehört.
»Ich bin Dr. Alexander Czerwenka, Herr Oberst«, sagte er
reserviert, »und ich möchte Ihnen gleich sagen, dass wir Ihnen
bei Ihren Ermittlungen nur sehr bedingt weiterhelfen können. Von den
unterstellten Vorfällen habe ich heute zum ersten Mal gehört
– ebenso wie meine Frau. Mein Vater hat etwas Derartiges nie auch
nur andeutungsweise erwähnt –«
»Das überrascht
mich jetzt aber«, konnte Jacobi sich nicht enthalten einzuwerfen.
»Heute ist er ohnehin völlig
dement«, fuhr Czerwenka ungerührt fort. »Wollen Sie
trotzdem Ihr Glück versuchen, dann müssen Sie das im
Seniorenheim tun – natürlich im Beisein unsres Anwalts.«
»Wir werden die Möglichkeit
in Erwägung ziehen«, sagte Jacobi, hakte sie jedoch im Stillen
bereits als Zeitverschwendung ab. Doch für den Notar war das Gespräch
immer noch nicht beendet.
»Ich denke, die
testamentarischen Verfügungen von Charlotte Heinrich sollten Sie
eigentlich mehr interessieren als irgendwelche verstaubten Gerüchte«,
lenkte er angelegentlich ein. »Nach Vorlage einer richterlichen
Anordnung stünde der Sichtung dieser Dokumente nichts im Weg.«
Der Oberst war von der plötzlichen
Bereitwilligkeit nicht wirklich überrascht. Das Anbieten einer Gefälligkeit
für ein Entgegenkommen auf anderer Ebene war eine durchaus gängige
Praxis in Österreich.
»Die Sichtung der
Dokumente würde uns in der Tat weiterhelfen«, räumte er
ein. »Meine Kollegin Oberleutnant Kotek wird die richterliche
Anordnung demnächst beibringen. Was aber die Beschwerde über den
Kollegen Feuersang betrifft, Herr Bürgermeister«, wandte sich
Jacobi nun wieder an Zederhauser, »so scheinen Sie, mit Verlaub,
nicht auf dem letzten Stand der Dinge zu sein. Herr Regenmandl rangiert
nach Indizienlage als möglicher Mörder Schleißheimers auf
der Liste der Verdächtigen ganz oben. Dessen ungeachtet hat er sich
meinen Beamten gegenüber alles andere als kooperativ gezeigt, ist
rotzfrech aufgetreten und hat heut Nacht, nachdem auch Lotte
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