Dohlenflug
Neben Postenkommandant Höllteufel, Gendarmerieschülerin
Tina Hohenauer und dem diensthabenden Revierinspektor hatten sich bereits
Feuersang und Dr. Cornelia Wächter eingefunden. Auch Jacobi war angekündigt,
er würde von seinem Schulfreund zum Posten chauffiert werden, und
Redl war mit Julie Heinrich ebenfalls auf dem Weg hierher.
Nicht allzu überrascht
war Kotek über Feuersangs Meldung, Paul Marageter sei untergetaucht.
Dessen Frau Leila, die Inhaberin der »Konditorei Punschkrapferl«,
hätten Haberstroh und er in Tränen aufgelöst vorgefunden.
Sie beteuerte, keine Ahnung zu haben, wo sich ihr Mann aufhielt und warum
er nicht an sein Handy ging. Seit er tags zuvor um sechzehn Uhr zur
Jugendherberge Simandl in seiner Heimatgemeinde Bad Gastein aufgebrochen
war, habe sie nichts mehr von ihm gehört. Ihre Aussage wurde von den
Ermittlern nicht angezweifelt. Sie hatten in ihrem Berufsleben zu viele
Vernehmungen durchgeführt, um nicht zu erkennen, wann eine Ehefrau
log und wann nicht.
Kotek sah ebenfalls keinen
Grund, die Einschätzung ihrer Kollegen anzuzweifeln. Immerhin ging es
mittlerweile um die Existenz einer ganzen Familie. Dass Leila Marageter,
die Gattin von Paul und Mutter zweier Kinder, in dieser Situation noch
irgendwelche Spielchen spielte, war nur schwer vorstellbar.
Feuersang schien mit seiner
Meinung über Marageter recht zu behalten: Sollte Letzterer sich nicht
gerade aus Kummer über die jüngsten Ereignisse in einem abseits
gelegenen Berggasthof die Kante geben, avancierte er durch sein Abtauchen
neben Regenmandl zum Hauptverdächtigen, denn auch sein Alibi für
den Schleißheimer-Mord hatte der näheren Überprüfung
nicht standgehalten.
Jaja, den Pauli habe man am
Samstagnachmittag immer wieder mal in der Rotkreuz-Zentrale Hofgastein
gesehen – so lautete zunächst der Tenor jener Gruppe, die den
Erntedankwagen hergerichtet hatte. Aber schon nach wenigen gezielten
Fragen Feuersangs und Haberstrohs war klar geworden, dass der gute Pauli
an jenem Nachmittag auch stundenlang ganz woanders hätte sein können
– wie an so vielen Nachmittagen, an denen ihm die Rotkreuz-Kollegen
Standardalibis für seine amourösen Abenteuer hatten geben müssen.
Doch jetzt ging es nicht mehr um delikate, strafrechtlich aber vernachlässigbare
Angelegenheiten: Ebenso wie Regenmandl hatte nun auch Marageter für
beide Morde kein Alibi.
Kotek hatte auf dem für
sie frei gehaltenen Stuhl Platz genommen. Vor ihr auf dem Schreibtisch lag
die eben gefaxte richterliche Verfügung zur Einsicht in Charlotte
Heinrichs Nachlass. Sie blickte in die Runde.
»Weitere Fragen nach
den Alibis für die vergangene Nacht erübrigen sich dann wohl,
oder?«
Feuersang zuckte mit den
Schultern. »Logischerweise konnten wir nur Salli Schleißheimer
erreichen – als Einzige der Hauptverdächtigen. Sie ist übrigens
auch Linkshänderin – wie Marageter. Das ist mir aufgefallen,
als sie das Protokoll unterschrieben hat. Gestern Abend ist ihre Tochter
Chrissie sehr früh zu Bett gegangen und hat nach zwei schlaflosen Nächten
zehn Stunden durchgeschlafen. Damit hat auch die Witwe kein echtes Alibi,
von den beiden Abwesenden mal ganz zu schweigen.«
Von den beiden Abwesenden!
Die Erkenntnis, dass die untergetauchten Verdächtigen jetzt mehr denn
je eine Bedrohung für die neue Schlüsselfigur Amanda Häuslschmied
darstellten, durchzuckte Kotek wie ein elektrischer Schlag. Da musste frau
sich schon fragen, was frau eigentlich noch hier zu suchen hatte. Die
Direktiven waren schließlich erteilt, Feuersang und Haberstroh waren
auf Marageter angesetzt und sollten die Spusi-Ergebnisse im Tierpräparator-Häusl
auswerten, und Redl hätte sich ohnehin jeden Kiebitz verbeten, der
ihm sagen wollte, wie er seine Arbeit zu machen hatte.
Die Vernehmung Julie
Heinrichs konnte noch warten. Kotek versprach sich von ihr keine neuen
bahnbrechenden Erkenntnisse, jedenfalls nicht nach derzeitigem
Ermittlungsstand. Abgesehen davon verspürte sie nicht die geringste
Lust, dabei zu sein, wenn Julie mitgeteilt wurde, dass ihre Mutter
bestialisch ermordet worden war. Redl und Cornelia Wächter eigneten
sich viel eher dafür, und Jacobi war ebenfalls schon im Anrollen. Der
würde ihr dann auch weiterhin das Chef-Auto überlassen können,
da er mit Redl oder der Wächter zurück nach Salzburg fahren könnte.
»Matthias,
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