Dohlenflug
Heinrich
bestialisch hingemetzelt worden ist, das Weite gesucht. Dass Ihr Freund
bei einer derartigen Darbietung für beide Morde unter
Kardinalverdacht steht, dürfte Sie eigentlich nicht überraschen.«
»Das … das
wusste ich tatsächlich nicht«, trat Zederhauser den geordneten
Rückzug an.
»Die Fahndung nach ihm
und seiner Haushälterin wurde bereits eingeleitet«, fuhr Jacobi
fort. »Wenn wir ihn haben, bleibt es ihm unbenommen, seine
Beschwerde zu konkretisieren. Allerdings werden sich für die von ihm
behaupteten Übergriffe kaum Zeugen finden lassen, im Gegensatz zu den
Vorkommnissen auf dem Laderdinger Alpl.«
Zederhauser nickte etwas
betreten. »Nun, Herr Oberst. Man sieht sich dann.«
»Immer zu Diensten,
Herr Bürgermeister.«
23
KOTEK WAR am Treffpunkt
Gendarmerieposten Hofgastein eingetroffen. Sie war nicht eben erfreut
über den zweiten Flop des Tages, den ihr der Besuch bei den
Czerwenkas in der Ortschaft Gadaunern beschert hatte. Sie hätte ihre
Ungeduld zügeln und nicht mit der Tür beziehungsweise dem
Laderdinger Alpl ins Haus fallen sollen. Die Notarsgattin hatte sofort
ihren Mann angerufen, und das umgehend vorgelegte ärztliche Attest
über Kajetan Czerwenkas psychischen Zustand hatte keine Zweifel
offengelassen. Der Alte war hoffnungslos dement, daran war nicht zu rütteln.
Im Befund war ausdrücklich angeführt, dass Czerwenka senior kaum
mehr sprach und, wenn überhaupt, dann nur zwei Worte repetierte:
»erste Kreuzung«. Das allerdings tat er unter Umständen
stundenlang.
Dann hatte Hans Weider auch
noch hereingemeldet, der aus der Art geschlagene achtzehnjährige Sohn
von Czerwenka junior habe mit dem Vater gebrochen, aber als Spur konnte
dieser Hinweis kaum dienen. Ein Schulabbrecher, der aus Protest gegen die
bourgeoisen Eltern seine Berufung zum Klosterbruder entdeckt hatte, wies
nur wenige Gemeinsamkeiten mit dem Rettenwänd-Schlächter auf.
Niemand aus der gut situierten bürgerlichen Familie Czerwenka passte
ins Täterprofil. Wenn auch der junge Notar per Gerichtsbeschluss für
zwei Jahre zum Vormund der damals noch minderjährigen Charlotte
Heinrich eingesetzt worden war, machte ihn dieser Umstand doch nicht
automatisch zum Verdächtigen. Und um zweckdienliche Infos über
die Vergangenheit seines Vaters zu erhalten, fehlte dem Referat erst recht
jedes legale Druckmittel. Die Bereitschaft von Czerwenka junior zur
Zusammenarbeit würde man in Anspruch nehmen, sobald die richterliche
Verfügung vorlag. Darüber hinaus aber war der Besuch bei den
Czerwenkas als Pflichtübung abzuhaken, denn die Akteneinsicht würde,
wenn überhaupt, bestenfalls die Ermittlungsergebnisse bestätigen,
jedoch kaum neue Erkenntnisse bringen.
Trotzdem war Kotek guter
Dinge und längst nicht mehr so schlechter Stimmung wie noch zu Beginn
des Tages. Sie hatte sich vom Optimismus ihres Lebensgefährten
anstecken lassen. Der etwas riskante Vorschlag, den er ihr bei seinem
letzten Anruf gemacht hatte, ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Er betraf
unter anderen eine der interessantesten Figuren im Reigen der Zeugen:
Amanda Häuslschmied. Vorerst zeigte ihnen die Witwe des verstorbenen
SS-Scharführers zwar noch die kalte Schulter, aber das konnte sich
schnell ändern. Jacobi hielt den Text auf dem Anrufbeantworter von
Lotte Heinrich für den Schlüssel zu beiden Mordfällen,
daran hatte er schon am Morgen während der Fahrt von seiner Wohnung
zum Franz-Hinterholzer-Kai keinen Zweifel gelassen.
Nicht zuletzt deshalb wollte
Kotek diesmal keine Zeit verlieren. Noch vor ihrem Besuch bei den
Czerwenkas hatte sie Fritz Ostermeyer angerufen, den Cousin ihrer Mutter.
Die Vermietung des Landhauses in Sportgastein an das LGK ging in Ordnung,
obwohl der Badgasteiner das elitäre Objekt gerade um diese Jahreszeit
oft wochenlang an Alpintouristen vermietete. Kotek hatte ihm die
Dringlichkeit ihres Anliegens und die damit verbundene Diskretion so
nachdrücklich vor Augen geführt, dass er gar nicht anders
konnte, als einzuwilligen. Außerdem: Wer wollte es sich schon
ernstlich mit der Tochter einer Gräfin verscherzen, mit der man noch
dazu verwandt war?
Am Posten Bad Hofgastein
hatten sich wegen der kühlen Witterung die Fenster beschlagen.
Drinnen herrschte Hochbetrieb, und in den kommenden Minuten würden
sich die Exekutivbeamten wahrscheinlich vollends auf die Füße
treten.
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