Dohlenflug
Situation bei einer Freundin Trost gesucht hatte. Jeder
andere, aber nicht Stubi, der treuste, katholischste Ehemann und
Familienvater unter österreichischer Sonne.
»Soll ich Melanie darüber
informieren, oder hast du das schon gemacht?«
»Ehrlich gesagt kann
ich mir nicht wirklich vorstellen, dass Stubi unser Mann ist, aber ich
habe Melli trotzdem benachrichtigt. Durchaus möglich, dass er über
die Nachtwache von Leo und Lenz Bescheid weiß, und ich möchte
mir nicht für den Rest meines Lebens vorwerfen, ich hätte meinen
Lebensmenschen aus falscher Loyalität zu Kollegen ins offene Messer
rennen lassen. Sie ist übrigens schon unterwegs nach Gastein und wird
in circa einer Stunde in Böckstein eintreffen.«
»Ich weiß. Ich
stehe ja in ständiger Verbindung mit Leo und Lenz.«
»Gut. Und dann ist da
noch was, Hans. Tu mir den Gefallen und ruf den alten Vorrath von der
Asservatenkammer an. Er soll die beschlagnahmten Koksbestände auf das
Gramm genau überprüfen –«
»Warum denn das? Doch
nicht etwa, weil man Stubis Ältesten mit selbst erzeugten Tabletten
erwischt hat?«
»Und lass dir die
Besucherliste der letzten vierzehn Tage rüberfaxen«, setzte
Jacobi unbeirrt fort. »Dann rufst du die Verrechnungsabteilung an,
Helga soll dir die Gehaltsvorschuss- und Darlehensbezieher des Referats
samt ihren Verbindlichkeiten durchgeben.«
»Du … du willst
unsre Kollegen bespitzeln, Oskar? Das hätt ich nie und nimmer von dir
gedacht. Ich hab auch schon mal einen Gehaltsvorschuss genommen.«
»Wann?«
»Na ja, vor …«
»Genau, vor zwanzig
Jahren, Hans. Als du angefangen hast, dein Häuschen in Parsch zu
bauen, als dein erstes Kind gekommen ist und sich deine Eltern haben
scheiden lassen. Das war das einzige Mal, Hans, und ich will hier
niemanden bespitzeln, sondern nur Melanie und uns alle schützen.«
»Schon gut, Oskar. Was
ist denn da für ein Lärm im Hintergrund? Bist du nicht mehr im
Hotel?«
»Nein, ich bin schon in
Schwechat am Flughafen und komme mit der nächsten Maschine nach
Hause.«
35
KOTEK HIELT SICH nicht lang
am Posten Hofgastein auf. Nachdem sich Haberstroh mit Postenkommandant Höllteufel
über die neuerliche Suche nach Marageter kurzgeschlossen hatte, fuhr
sie weiter nach Böckstein.
War Höllteufel am Vortag
noch etwas verschnupft gewesen, als sich Kotek in puncto
Zeugenschutzprogramm nicht sehr mitteilsam gezeigt hatte, so hatte er
Haberstroh nun sofort zwei Gendarmen zur Seite gestellt, ohne sich erst
lange bitten zu lassen. Mehr Leute hätte er ohnehin nicht entbehren können.
Haberstroh hatte mittlerweile
eine sehr konkrete Vorstellung davon, wo und wie Marageter aufzuspüren
war. Den Tipp hatte er von Melanie, die ihn wiederum von Resi Neuhuber
beziehungsweise von Leo Feuersang bekommen hatte.
Am Vorabend war Kotek auf der
Heimfahrt blitzartig klar geworden, warum so erfahrene Ermittler wie
Feuersang und Haberstroh den ehemaligen Kollegen Marageter nicht hatten
finden können. Die Distanz zwischen ihnen und den Einheimischen war
zu groß. Letztere dachten nicht im Traum daran, irgendetwas
Aktuelles über Blaulicht-Pauli preiszugeben, die Männer
vielleicht aus Neid oder weil sie sich schämten, und die Frauen
…
Die Kumpels vom Roten Kreuz
hielten jetzt besonders dicht, nachdem sie zuvor beim Alibi umgefallen
waren, und um ein geeignetes Vertrauensverhältnis zu jenen anderen
Gasteinern aufzubauen, die etwas über die Lebensgewohnheiten von
Blaulicht-Pauli hätten aussagen können, wären wohl Tage nötig
gewesen. Aber ein ganz spezielles Vertrauensverhältnis konnte Kotek
sich sofort zunutze machen: die Sympathie, die Resi Neuhuber für Leo
Feuersang empfand.
Plötzlich war alles
recht einfach gewesen. Sie hatte zum Handy gegriffen, Leo hatte
seinerseits Resi Neuhuber angerufen und war dabei tatsächlich auf
eine Goldader gestoßen.
Paul Marageter war weit
über das Gasteiner Tal hinaus als Don Juan berühmt-berüchtigt.
Natürlich wusste Resi
Neuhuber über fast alle Damen zwischen sechzehn und sechzig Bescheid,
durch deren Betten er im Lauf der Jahre gehüpft war oder die sich
zumindest gern in diese lange Liste eingetragen hätten. Mit dem
feinen Instinkt der Geschlechtsgenossin filterte sie für ihren Leo
all jene Kandidatinnen heraus, die Pauli jederzeit auch für mehrere
Tage Unterschlupf gewährt hätten.
»Für eine so
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