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Doktor auf Draht

Doktor auf Draht

Titel: Doktor auf Draht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Alkoholgrotte saßen; er hatte ein Gähnen dabei unterdrückt. »Archbold hat mich zum Dinner eingeladen, mußte aber in seiner Privatjacht hinausfahren, um einen Filmproduzenten, der auf der Queen Elizabeth eingetroffen war, zu untersuchen. Ich fürchte sowieso, daß das gestrige Dinner mit vollbesetztem Symphonieorchester und Wasserkabarett meine Kräfte etwas überstiegen hat. Ich werde mich heute abend auf eine leichte Mahlzeit in einem Etablissement beschränken, das, glaube ich, den Namen >Hamburger Himmelreich< führt. Sie, Grimsdyke, ziehen bestimmt Ihr eigenes Vorhaben vor, ich dränge Sie daher keineswegs, mich zu begleiten.«
    Ich hingegen war derart davon erschöpft, Sir Lancelot eine volle Woche am Gängelband geführt zu haben, daß ich im Hotel-Grill bloß einem »Proteinreichen Riesenhappen von mit Milch großgezogenem Widder mit mannsgroßem Markbein« (lies Hammelkotelett) zusprach, zu Bett ging, den Fernsehapparat einschaltete, mir die Spät-Schau, die Spät-Spät-Schau, und möglicherweise auch die Früh-Früh-Schau ansah, worauf ich süß entschlummerte.
    Und nun befand ich mich unterwegs zum Kittchen und fragte mich, welcher Art Verbrechen Sir Lancelot begangen hatte, bevor er eingelocht worden war.
    War er vielleicht fälschlich für einen führenden New Yorker Gangster angesehen worden? Aber sämtliche führende New Yorker Gangster sind um die sechzehn. Dann bedachte ich, daß es heutzutage gar nicht so schwer ist, ins Kittchen zu kommen, bei dieser Einkommensteuer und der Art, wie manche Leute die Straße zu überqueren versuchen. Und vor allem die New Yorker Gefängnisse sind der breiten Öffentlichkeit leicht zugänglich, werden doch die weniger angesehenen Leute von der Polizei so schief angesehen, daß jeder Krawall Massenarretierungen zur Folge hat; erst nachher werden die Leutchen aussortiert.
    Die Polizeiwache war leicht zu finden; sie war, wie alle New Yorker Vergnügungsstätten, zu dieser Stunde einer Samstagnacht in vollem Betrieb und erfreute sich eines blühenden Geschäftsganges — in Manhattan ist selbstverständlich seit Jahren niemand zu Bett gegangen. Ich schritt an den Photos jener Burschen vorbei, mit denen die Behörden gerne ein Wörtchen geredet hätten, und näherte mich dann vorsichtig einem Schreibtisch, hinter dem ein Polyp saß — ein dicker, kahlköpfiger, schwarzer Kerl, dessen Ausdruck darauf schließen ließ, daß er sämtliche Laster der Welt kennengelernt hatte und, wie Kaiser Nero, ihrer ziemlich müde geworden war.
    »Yeah?« machte der Polyp.
    »Äh — guten Abend, Officer.«
    »Yeah.«
    Es war nicht leicht, den Anfang zu machen.
    »Mein Name ist Dr. Grimsdyke.«
    »Yeah?«
    Der Polyp hatte ein Stück Kaugummi im Mund.
    »Ich spreche wegen des Häftlings Spratt vor.«
    »Ah, yeah.«
    Der Polyp heiterte sich auf, wie Kaiser Nero, der nach seinem Instrument griff, als er das Knistern der Flammen hörte.
    »Sind Sie ein Psychiater?« fragte er.
    »Ein Psychiater? Nein, eigentlich nicht.«
    »Denn ein Psychiater ist’s, was dieser Kerl braucht. Yes, Sir. Der hat einen ausgewachsenen Hieb!«
    »Ein bißchen exzentrisch ist er wohl«, räumte ich ein. »Aber durchaus keine Gefahr für die Öffentlichkeit.«
    »Hören Sie mal! Erst erklärte der Kerl, er ist ein englischer Lord — «
    »Ein englischer Ritter. Wie die Kumpane König Artus’ im Fernsehen.«
    »Dann sagt der Kerl, er ist ein berühmter englischer Doktor. Das geht mir nicht ein. Sitzen denn die Lords nicht den ganzen Tag lang mit goldenen Kronen auf dem Kopf herum und essen Kekse?«
    Unsere amerikanischen Brüder haben bisweilen recht nebelhafte Vorstellungen vom Leben der englischen Adeligen, wahrscheinlich infolge dieser Gin-Reklamen. Doch es erschien mir im Moment nicht angebracht, die Feinheiten des Adelsalmanachs näher zu erklären, und ich fragte daher nur:
    »Wie lautet die — äh — Anklage, Officer?«
    »Ah, yeah.«
    Nun sah der Polyp wie Kaiser Nero mit einer zerrissenen Saite aus, just als der Brand richtig in Schwung kam.
    »Die Anklage lautet auf Behinderung eines Polizeiorgans in der Ausübung seiner Pflichten und Gebrauch schmutziger Worte auf dem Gehsteig. He, O’Reilly«, wandte er sich an einen anderen Polypen. »Bring den Spratt herein.«
    Binnen weniger Minuten erschien Sir Lancelot in einem mit Stahlgitter abgegrenzten Gang, der zum Besuchsraum führte. Wie nicht anders erwartet, hatte ein Aufenthalt im Kühlen die Temperatur seines Gemüts noch weiter angefacht. Er

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