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Doktor auf Draht

Doktor auf Draht

Titel: Doktor auf Draht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Zeiten willen?«
    »Aber natürlich, Gaston. Rasend gern.«
    »Meinen Sie das im Ernst?« Mir wurde plötzlich innerlich ganz warm, als hätte ich einen Sonnenuntergang geschluckt. »Hier meine Adresse und meine Telefonnummer.« Ich kritzelte sie auf ein Stück des wasserabstoßenden Papiersäckchens, das auf dem Vordersitz befestigt war. »Hab draußen in Chelsea eine kleine Wohnung — einen adaptierten Stall.«
    »Das klingt ja schrecklich romantisch.«
    »Ist es aber in Wirklichkeit nicht. Nichts weiter als eine Pferdekrippe.«
    »Gürtel festschnallen, Rauchen verboten«, verkündete die Pastorstochter über die Sprechanlage. »Wir hoffen, daß Sie einen angenehmen Flug gehabt haben.«
    Einen angenehmen Flug? dachte ich. Soweit es mich betraf, wäre ich jetzt gerne weiter rund um die Welt geflogen.
    Nichts ist besser geeignet, einen zur Erde herunterzuholen als ein Flughafen. Vom eiskalten Regen abgesehen, der über das Rollfeld fegte, weiteren wichtigtuerischen Mädchen in Uniform und den
    Zollbeamten, die einen so scharf mustern, als wäre man ein Piratenhäuptling nach einer gründlichen Rasur, war es rundum acht Uhr morgens, während es in meinem Inneren noch immer drei Uhr früh war. Davon ganz zu schweigen, daß sich der Effekt sämtlicher Gratis-Martinis jetzt verflüchtigte.
    Lucy Squiffington verlor ich im Zollgebäude aus den Augen, und ich muß gestehen, daß es mir nicht einmal richtig leid tat. Inmitten der Menge sah ich sie in einen pflaumenfarbenen Rolls Royce steigen — mit farblich dazu abgestimmtem Chauffeur —, und nun kam es mir mit einemmal zu Bewußtsein, in was für einem Wölkenkuckucksheim ich gelebt hatte. Ich erinnerte mich, daß Papa Squiffington eine halbe Bank besaß, und wenn auch die Familie vermutlich dort nicht alle Tage vorsprechen und sich die Brieftaschen vollstopfen konnte, mußte Lucy die Männer anziehen wie ein Picknick die Wespen. Was konnte sie, umringt von eleganten Burschen mit klingenden Titeln und Schnurrbärtchen sowohl in London wie auf dem feudalen Landsitz, am schäbigen alten Grimsdyke in seinem zerknüllten Anzug und seinem Nylonhemd, das er am Abend zuvor zu waschen vergessen hatte, finden? Sobald sie festen Boden unter den Füßen hatte, mußte sich das arme Mädel wie Miranda gefühlt haben, als Caliban zudringlich wurde. Mir entfuhr ein kleiner Seufzer. Wenn man es recht bedenkt, gibt es auf Erden keinen besseren Gleichmacher als eine Reise erster Klasse.
    Ich kletterte in den Flughafenbus, begierig, mich zu Hause zu rasieren und ein Bad zu nehmen. Außerdem mußte ich meine Braut anrufen.

7

    »Hallo?« sprach ich in den Hörer. »Ist dort das Heim für kriminelle Mädchen?«
    »Ja, hier sprechen die kriminellen Mädchen.«
    »Könnten Sie mich vielleicht mit Miss Anemone verbinden?«
    »Miss Anemone? Einen Moment, bitte.«
    Ich stand in einer Ecke meiner Pferdekrippe, hielt in der einen Hand den Hörer und blätterte mit der anderen durch die Seiten der Tageszeitung — einem armen, anämischen Ding nach den New York Times, die jeden, der sie im Bett liest, glatt ersticken können und sonntags gerade zurecht kommen, wenn die Familie kampieren gehen will.
    »Hallo?« tönte Anemones Stimme an mein Ohr.
    »Hallo, Nenny! Gaston meldet sich wieder als Verkehrsteilnehmer.«
    »Oh, Gaston! Wie war’s in Cheltenham?«
    »Fein, danke. Hat mich richtig auf Draht gebracht.«
    »Das freut mich«, sagte sie nett. »Wie war das Wetter?«
    »Naja, bald so, bald so.«
    »Und wie geht’s deiner Großmama?«
    »Die liebe Alte ist kolossal in Form. Von ihrem alten Rückenleiden abgesehen, selbstverständlich.«
    »Ein einziges Mal hättest du mich schon anrufen können, Gaston«, zankte Anemone mich aus, natürlich in ihrer netten Art.
    »Aber ich sagte dir doch, Alte, Großmama will sich kein Telefon zulegen. Sie meint, es zieht bei Gewittern den Blitz an.«
    »Ja, aber... du hättest doch aus einem Telefonhäuschen sprechen können, nein, Gaston?«
    Komisch, das wäre mir nie eingefallen.
    »Oh, das hab ich ja getan. Leider Gottes hatte ich nicht das nötige Kleingeld bei mir. Hast du eine Ahnung, was für eine schrecklich komplizierte Kombination von Sixpence- und Shillingstücken erforderlich ist, um am Land interurban zu telefonieren!«
    Kleine Pause.
    »Willst du noch immer mit uns an die Küste fahren?« fragte Anemone weiter; auf die Sixpencestücke einzugehen hatte sie offenbar keine rechte Lust.
    »Klar, Baby. Wird famos werden.«
    »Du lieber Himmel,

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