Doktor auf Draht
Strafrechtskonsulentin und ständig im Fernsehen zu bewundern, emsig damit beschäftigt, die überzähligen Fischlein auszusondern, die die Welle der Kriminalität an Land schwemmte. Zur Zeit von Miles’ Party fanden er und Frau Direktor Hilda ihr höchstes Vergnügen darin, durch die Strafanstalten zu wandern und im Interesse der Regierung zu bestimmen, ob Kerle, die alte Damen um die Ecke brachten, wie schlimme Buben vermahnt oder lieber in den Tower geschafft und auf die Folter gespannt werden sollten.
Aber ich hätte mich nie mit Anemone verlobt oder sie sogar je wieder zu Gesicht bekommen, wäre nicht eine Reihe erstaunlicher Zufälle eingetreten.
Einige Abende nach der Party rief mich Miles an, um mir mitzuteilen, daß ihm ein Patient, dessen Magen er entfernt hatte, zwei Sitze für das neueste Musical geschickt habe; da er aber im St. Swithin eine dringende Blinddarmoperation durchzuführen habe, könnte ich sie vielleicht mit Anemone übernehmen?
»Anemone wohnt so selten den Vergnügungen der leichten Muse in London bei«, erklärte er mir. »Das liebe Mädchen geht völlig darin auf, ihrer Mutter bei den kriminellen Mädchen von Yorkshire zu helfen.«
Das Musical gefiel mir recht gut, und Anemone war eine durchaus nette Begleiterin. Ihre Hübschheit war von jener blonden, gesunden und wetterbeständigen Art, die mit Recht in England so beliebt ist. Zwar glich ihre Kleidung einem schlecht zusammengerollten Regenschirm, aber sie sprach nicht sehr viel und lachte über alle meine Späße — natürlich verpaßte ich ihr nur die zimmerreinen.
Komisch, drei Tage später rief mich Miles abermals an, um mir zu sagen, er habe zwei Karten für das neue Lustspiel von einem Patienten bekommen, dessen Gallenblase er entfernt hatte, sei jedoch ins St. Swithin berufen worden, um eine Milzoperation vorzunehmen. Es war eine nette kleine Komödie, und Anemone und ich lachten aus vollem Herzen, aber mich erfaßte ehrliches Mitgefühl für Miles’ verdammtes Pech, als er gleich am nächsten Abend telefonierte und erklärte, er habe von einem Patienten, dessen Warzen er entfernt hatte, zwei Logensitze für das Old Vic bekommen, könne aber nicht gehen, weil er zu einer dringenden Konferenz ins Spital berufen worden sei.
Das Old Vic war eine tolle Sache, nichts als Blut und Blankverse, doch als Miles am nächsten Morgen persönlich bei mir aufkreuzte und zwei Eintrittskarten für die neueste Eisrevue — von jemandem, dessen eiternde Frostbeulen er behandelt hatte — in der Luft schwenkte, traf er mich fieberschauernd im Bett an.
»Bloß mein kleiner Beitrag zur Grippeepidemie«, schnüffelte ich. »Muß mir das in diesen überfüllten Theatern zugezogen haben. Aber ich kann das im Handumdrehen mit einer Flasche Whisky und einem Hut kurieren.«
»Wie willst du das bewerkstelligen?«
»Ins Bett gehen, den Hut auf den Bettpfosten hängen und so lange Whisky trinken, bis sich der Hut zu bewegen beginnt.«
»Du darfst eine Influenza nicht auf die leichte Achsel nehmen, Gaston.« Miles konnte in seiner Eigenschaft als Spezialist kein Leiden behandeln, ohne ein Riesenaufhebens davon zu machen. »Du könntest dir dabei ganz leicht eine Staphylokokken-Pneumonie zulegen.«
Er förderte sein Stethoskop zutage.
»Alkohol kommt selbstverständlich nicht in Frage«, verkündete er, und steckte als erste Maßnahme meine Zigaretten ein. »Und außerdem bedarfst du natürlich der Pflege. Ich werde dir zweimal täglich jemanden herüberschicken, um dir den Rücken einzureiben.«
Er ließ mich allein, und ich starrte die niedrige Zimmerdecke mit jenem entsetzlichen Influenza-Gefühl an, zu einem Filet zerschnitzelt worden zu sein. Da erschien plötzlich Anemone, mit Zeitschriften, Obst und Franzbranntwein beladen.
»Miles konnte in der Pflegerinnen-Vermittlungsstelle niemanden auftreiben«, erklärte sie mir mit einem netten Lächeln. »Daher schlug Mammi vor, ich solle mich Ihrer annehmen.«
»Aber verdammt nochmal!« nieste ich sie an. »Das wird Ihren Aufenthalt in London total verpatzen.«
»Ich tu’s gern, Gaston.«
Sie machte sich daran, meinen Polster zu glätten. Ihr Gesicht nahm einen frommen Ausdruck an wie bei den Mädchen, die man auf den Plakaten für Desinfektionsmittel sieht.
»Ich wollte mich immer schon in Krankenpflege ausbilden«, fuhr sie mit sanfter Stimme fort, »nur sind einige Dinge, die man dabei tun muß, nicht sehr nett. Wo kann ich Ihnen jetzt Gerstenschleim zubereiten?«
Anemone kam jeden
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