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Doktor auf Draht

Doktor auf Draht

Titel: Doktor auf Draht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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hat.«
    Miles preßte die Lippen aufeinander. »Die Dinge stehen weitaus ernster. In den letzten Wochen hat Connie den wohlüberlegten Versuch unternommen, Klein-Bartholomew und mich umzubringen, und sich selbst noch dazu. Wo werde ich schlafen?«
    Ich war nun völlig verwirrt und halb erfroren; ich wies darauf hin, daß in meiner Wohnung kaum Platz sei, ein Kätzchen unterzubringen.
    »Ich bin ein ordentlicher Mensch und kann mich auch in einen beschränkten Raum glänzend einfügen«, gab Miles zurück. »Erinnere dich, auf der Schule wurde mir stets die Organisation des Campings an vertraut.«
    Er begann auszupacken.
    »Hör mal, Miles, alter Junge, ich muß bereits das Fenster öffnen, um Ellbogenfreiheit beim Zähneputzen zu haben.«
    »Du willst mir doch nicht zumuten, unter den Themsebrücken zu schlafen?«
    »Ich meine nur, du könntest unter den Themsebrücken noch mehr Komfort finden als hier, das ist das Ganze.«
    »Du besitzt doch noch mein altes Feldbett, nicht wahr? Das können wir aufstellen und abwechselnd darauf und auf dem Diwan schlafen. Eine Woche so, die andere so.«
    Daß Miles von Wochen redete, gefiel mir gar nicht. Es war typisch für ihn, daß er voraussetzte, jeder würde herbeistürzen und sich für ihn zerreißen, wenn er einmal in ein Schlamassel geraten war. In der Schule war’s genauso gewesen, sooft er entweder seine Fußballschuhe verlor oder in der Algebra steckenblieb. Und daß er Chirurg geworden war, machte die Sache vermutlich noch schlimmer, denn sobald man einmal im Operationssaal arbeitet, gibt es so viele Schwestern, die sich beeilen, einem den Kittel zuzubinden oder die Stirne abzuwischen oder Kaffee mit Kuchen herbeizuschaffen, daß man nach einer Weile durchaus bereit ist, Asepsis mit der eigenen Bedeutung gleichzusetzen.
    »Aber du wirst niemals imstande sein, deine Praxis von hier aus zu führen, du Esel«, machte ich geltend. »Bedenke doch erstens einmal all diese telefonischen Anrufe aus der Harley Street.«
    »Die sind kein Problem. Seit der gestrigen Nacht, die ich glücklicherweise dienstlich im St. Swithin verbrachte, bin ich auf Sommerferien. Sechs Wochen Urlaub vom Staatlichen Gesundheitsdienst. War so dumm, mich darauf zu freuen.«
    Es blieb mir nichts anderes übrig, als ein paar Kleidungsstücke zusammenzuraffen und mich in die Kochnische zu zwängen, um mich anzuziehen. Als ich dann hervorkam, entdeckte ich, daß Miles inzwischen sein Hab und Gut auf meinem Diwan ausgebreitet hatte und unruhig darin herumwühlte.
    »Hab meine Filzpantoffeln zu Hause vergessen«, klagte er.
    »Brauchst gar nicht weit zu gehen, um sie zu holen.«
    »Das werde ich bestimmt nicht tun. Ich will nie mehr in meinem Leben etwas mit diesem Weib zu schaffen haben.« !
    Plötzlich kam mir eine jener gloriosen Ideen, die mir im Laufe der Jahre etliche Pfunde eingetragen haben, wenn sie sich zum Beispiel auf dem Rennplatz einstellten. Einige wohlgewählte Worte von Onkel Grimsdyke, fühlte ich, könnten diesen idiotischen Zank ebenso schnell zum Abflauen bringen wie meinen Empire-State-Schneesturm. Und sie würden nicht nur Miles seine wonniglichen Zeiten wiedergeben, sondern auch mir genug Platz zum Schlafen.
    »Mach’s dir nur bequem«, lud ich ihn herzlich ein, »und ich mach den Sprung zu deinem Haus, um die Pantoffeln zu holen. Oder glaubst du am Ende, daß Connie auch auf mich losgehen wird? Übrigens hab ich nichts dagegen, wenn sie mit Eiern um sich schmeißt, ich hab sowieso noch nicht gefrühstückt.«
    »Na gut«, stimmte mir Miles mürrisch zu. »Und wenn du schon hingehst, kannst du mir auch meinen Smoking, Dickens’ Gesammelte Werke und mein Rasierwasser bringen.«

10

    Nach einer im Flugzeug verbrachten Nacht war es recht angenehm, einen Spaziergang zu Miles’ Heim zu machen. Der englische Sommer hatte mit seinem Fingerspitzengefühl für wirksame Bühneneffekte die öde Heideszenerie in der Versenkung verschwinden lassen und das neue Bild mit sanftem goldenem wäßrigem Sonnenschein erfüllt, der anmutig auf den grünen Blättern der Bäume und den roten Flanken der Autobusse funkelte und das Straßenpflaster wie ein frisch gescheuertes Schiffsdeck aussehen ließ. Tief sog ich die feuchte Londoner Luft in mich ein. Nirgends ist’s so schön wie daheim, dachte ich; freilich wär’s noch schöner, wenn’s hier die New Yorker Handlungsfreiheit gäbe.
    Die Brompton Road überquerte ich bereits leicht beunruhigt. Was für ein Ungeheuer war zur ruhigen Oberfläche von

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