Doktor auf Draht
als ich nach Hause kam, war mein erster und einziger Gedanke ein gemeines Frohlocken darüber, daß ich den Diwan nun für mich hatte.
»Die klinische Geschichte deiner Verletzungen erfasse ich, ehrlich gestanden, nicht ganz«, sagte ich zu Miles, während ich zwei Eier zu kochen begann. »Diesen verdammt saftigen Hieb auf deinen Schädel versetzte dir, soviel ich weiß, Connie mit der Champagnerflasche. Hat sie das Verfahren mit einer gemischten Behandlung von Quetschungen und Schnitten in der Unterkiefergegend ergänzt?«
»Die kleineren Traumata«, versetzte Miles gelassen, indem er sich vorsichtig einseifte, »wurden mir von jener Person beigebracht, die mich vom Thron ihrer Zuneigung absetzte.«
»Oh?« Ich stellte die Eieruhr auf.
Mein Cousin schilderte des langen und breiten, wie ein dunkelhaariger, geschniegelter Bursche, der eben vom Telefonieren zurückkam, angesichts seiner Partnerin, die Champagnerflaschen wie Dreschflegel durch die Luft sausen ließ, das Tanzparkett überquert und Miles wortlos unter den Hors d’œuvres niedergestreckt hatte.
»Zum Glück kam ich bald zu mir.« Er lächelte kühl durch den Seifenschaum. »Und es gelang mir, Connies Gigolo mit einem Tritt in den Unterleib kampfunfähig zu machen.«
»Aber, Miles, du Esel! Woher wußtest du, daß es nicht einer von Connies Verwandten oder ein alter Freund der Familie war?«
»Connies Verwandte kenne ich sehr gut. Die steigen alle recht häufig und beträchtlich lange bei uns ab. Und Connie würde sich nie Freunde zulegen, die ich nicht billige.« Miles lachte kurz auf. »Nun steht es ihr frei, so viele unerwünschte Bekanntschaften zu machen wie sie will, da ich eine Scheidung als unvermeidlich betrachte.«
»Hör mal«, sprach ich auf ihn ein, während ich den Toaster belud, »selbst mit einem schauerlichen Kater kannst du doch nicht im Ernst in Erwägung ziehen, dich von Connie scheiden zu lassen?«
»Ich hatte mich dafür entschieden, bevor mich noch die Direktion dieses Etablissements in so unwürdiger Weise in den Abfall-Lift beförderte. Ich glaube, es hängen noch immer Fischgräten und Kartoffelschalen auf meiner Weste.«
»Bedenke doch, was für einen idiotischen Eindruck du bei Gericht machen würdest, wenn du auf die Frage des Richters >Mit welcher Begründung?< antwortest: >Sie hieb mir mit meiner Flasche Bollinger über den Schädel, My Lord.< Damit dürftest du dir nicht die größten Sympathien erringen.«
»Du übersiehst den Dritten.«
»Zum Teufel! Möchte wetten, das war eine ganz einwandfreie Sache, so wie ich Connie kenne. Will sagen, wie ich Connie nach allem, was du mir über sie erzählt hast, kenne.«
»Ich mag die Eier nur leicht gekocht«, sagte Miles und setzte sich nieder.
Mein Cousin war ein schweigsamer Esser, der seinem Frühstück so systematisch den Garaus machte wie allem, das ihm im Laufe dieses Tages unterkam. Erst als er die Marmeladenreste von seinem Borstenschnurrbart wischte, erklärte er:
»Das waren dreihundertfünfzig Kalorien. Du irrst, Gaston, wenn du annimmst, daß ich meine Scheidung aus Gründen der Grausamkeit einreiche.«
»Du kannst sie, vermute ich, auch durch böswilliges Verlassen erreichen, aber ein Anwalt sagte mir einst, daß man das drei volle Jahre durchhalten muß«, erwiderte ich, wobei ich mir rasch ausrechnete, daß dies für mich achtzehn Monate auf dem Feldbett bedeutete.
»Ich habe vor, eine Scheidung auf Grund ehelicher Untreue durchzusetzen.«
Ich sah meinen Cousin, der mir am Tisch von der Größe eines Damebretts gegenübersaß und die leere Eischale mit seinem Löffel beklopfte, in einem neuen Licht.
»Miles, du alter Schlaufuchs! Hast dir all die Jahre heimlich ein Püppchen — «
»Wie kannst du’s wagen, Gaston! Nein, es ist nur deshalb, weil ich mich — trotz Connies schändlichem Benehmen — wie ein Gentleman aufführen möchte. Ich entnehme den Zeitungen, daß man dergleichen arrangieren kann.«
»Hör mal, alter Junge — solltest du dich nicht mit deinem Anwalt beraten?«
»Ich ziehe es vor, meinen Anwalt da aus dem Spiel zu lassen. Zudem ist er Connies Bruder. Nein, mein lieber Gaston — ich beabsichtige, die Organisation dieser ganzen Angelegenheit dir zu übertragen.«
»Mir? Aber zum Teufel, was versteh ich schon von Scheidungen?«
»Eine ganze Menge, möchte ich sagen, da du dich frei in der demi-monde bewegst, wo derlei Ereignisse nicht nur alltäglich, sondern auch üblich sind. Die Sache muß noch vor Ende meines Urlaubs
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