Doktor auf Draht
hat die Times mitgehen lassen. Hat seine zu Hause vergessen, Sir«, fügte ich schnell hinzu.
»Wie ich sehe, schlafen Sie in zwei Betten, Grimsdyke?«
»Ja, Sir. Bin irgendwie sehr ruhelos. Schlüpfe gern mitten in der Nacht in ein kühles Lager.«
»Hm.«
»Und — äh — wären Sie so gut, Sir, Frau Direktor Hilda gegenüber nicht zu erwähnen, daß ich mit Ihnen in New York war?«
»Hm.«
»Wollte sie selber mit dieser Nachricht überraschen, Sir.«
Sir Lancelot seufzte. »Ich muß wirklich sehr alt wirken. Niemand nimmt sich mehr die Mühe, mich ordentlich anzuschwindeln. Na schön, Grimsdyke. Senden Sie den Bericht per Post nach Wales. Und für dieses angeschlagene Auge empfehle ich kalte Umschläge.«
Sir Lancelot ging. Ich räumte die Eischalen weg.
Miles war wirklich ein Dummkopf. Nicht, daß ihn dies für das House of Lords disqualifizieren würde, nach den Reden zu urteilen, die dort von Zeit zu Zeit losgelassen werden. Miles wollte sich ebensowenig von Connie scheiden lassen, sagte ich mir, während ich den Marmeladenlöffel ableckte, als sich vom Ärztestab des St. Swithin zurückziehen. Und da er solch ein egozentrischer Kerl war, bedeutete ihm das eine soviel wie das andere.
Der arme Miles! Ich warf die Krumen vom Toast den Vögeln hin. Dieser hochqualifizierte Verstandesmensch mit seiner Chirurgie und Soziologie war nun genauso infantil wie jeder andere enttäuschte Ehemann. Das Autofahren und die Ehe, so sann ich, nichts ist wie die beiden geeignet, uns alle auf denselben gemeinsamen Nenner zu bringen.
Doch ich hatte nicht Zeit, länger über die häuslichen Probleme meines Cousins nachzudenken, denn ich mußte an meine Arbeit.
14
Nett war es, den Portier mich mit folgenden Worten begrüßen zu hören: »Schöner Morgen heute, Dr. Grimsdyke. Fein, daß Sie wieder bei uns sind.«
»Guten Morgen, Harry«, erwiderte ich leutselig. »Haben sich die Leute ohne mich fortwursteln können?«
»Glaube, irgendwie haben sie’s zustande gebracht, Doktor. Aber ich hab eine dringende Nachricht für Sie.«
»Oh?«
»Wollen Sie sich bitte gleich hinauf begeben, Sir. Man will die große Herzoperation nicht ohne Sie beginnen.«
»Hm. Wünscht man tatsächlich, daß ich sie vornehme?«
»Glaube, man will Sie nur als Berater, Sir.«
»Schön, Harry. Einen guten Tip fürs heutige Rennen?«
»Traue mir heut selbst nicht recht, Doktor.«
Ich fand es entschieden fein, wieder zurück zu sein, zumal der Sommer gute Arbeit geleistet und einen funkelnden Junimorgen bereitgestellt hatte — das Quecksilber im Thermometer schoß empor wie die Stockrosen. Ich eilte beschwingt den langen
Hauptkorridor entlang, tauschte ein munteres Hallo mit den Trägern und den Burschen aus, die die Rollwagen schoben, mit den hübschen kleinen Sekretärinnen und den Mädeln, die den Tee brachten. Ja, ich pfiff sogar ein bißchen, als ich den Personalaufzug erreichte und in die Chefsekretärin hineinlief.
»Hallo, Dr. Grimsdyke! War’s schön in New York?«
»Sehr lehrreich, danke.«
»Ich glaube, der Chef möchte Sie noch auf einen Sprung sehen, bevor Sie Weggehen, Doktor.«
Ich runzelte die Stirne. »Ist am Ende was danebengegangen?«
»O nein, Dr. Grimsdyke. Ganz im Gegenteil. Er war von der großen Gehirnoperation, die Sie vor Ihrer Abreise Vornahmen, regelrecht begeistert.«
»Freue mich, daß ich zum Auskratzen noch zurechtkam. Der Chef zeigte natürlich enorme Inspiration«, gab ich das Kompliment zurück.
Die Sekretärin blätterte in ihrem Vormerkbuch. »Nächste Woche haben Sie die große Transplantationsoperation, Dr. Grimsdyke. Werden Sie da die künstliche Niere brauchen?«
Ich nickte. »Unbedingt die künstliche Niere.«
»Werde dafür Sorge tragen. Der Chef möchte wissen, ob er alles Ihnen überlassen kann?«
»Alles«, sagte ich.
Sie lächelte. »Das wird ihn riesig freuen, Doktor.«
Ich lächelte zurück, drückte auf den Knopf und glitt empor.
Als ich die Tür im obersten Stockwerk aufstieß, befand ich mich im Operationssaal mit der schattenlosen Lampe, dem spiegelnden Operationstisch, denselben kleinen Schwestern zwischen den Verbandkästchen und demselben Assistenten und Anstaltsarzt, alle reingescheuert meiner harrend.
»Hallo, Dr. Grimsdyke«, begrüßte man mich. »Fein, daß Sie wieder da sind.«
»Ganz meinerseits«, gab ich zurück.
»Bin gerade daran, eine dieser Herzdurchlöcherungsoperationen durchzuführen«, erklärte mir der Chirurg durch seine Gesichtsmaske hindurch.
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