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Doktor auf Draht

Doktor auf Draht

Titel: Doktor auf Draht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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schließlich alle Schauspieler.«
    »Hm, gewiß«, sagte Lucy und fegte eine reiche Beute von Zigarettenpäckchen unter meinem Diwan hervor.
    »Ich wär selbst ganz unerträglich eitel, wenn ich sein Aussehen hätte. Und wenn alle Mädel sich in mich verknallten.«
    »Alle Mädel?«
    Ich lachte. »Das ist das Berufsrisiko bei Schauspielern, wissen Sie. Manchmal kann man ihn im Parkett kaum richtig sprechen hören, so sehr knackst es rechts und links von gebrochenen Herzen.«
    »Hm, gewiß«, machte Lucy abermals.
    »Und er benützt natürlich reichlich Parfüm.«
    »Parfüm? Aber er sagte mir, das sei eine Lotion, die ihm sein Arzt für die Haut empfohlen habe.«
    Ich lachte erneut.
    »Basil hat bezaubernde Umgangsformen«, beharrte Lucy, indem sie drei bis vier alte Socken zusammenklaubte.
    »Ja, genau das hat auch die Tochter der Hauswirtin von unserer alten Bude gefunden. Das arme Ding! Möchte gern wissen, wie das Ganze ausgegangen ist, nachdem sie... nachdem sie ihren Urlaub gehabt hat.«
    »Gaston!« Lucy schleuderte plötzlich ihren Besen zu Boden. »Basil erwartet, daß ich ihn heirate.«
    »Meine herzlichsten Glückwünsche. Er wird bestimmt ein erstklassiger Gatte sein. Fürsorglich, heiteren Gemüts und häuslich, gepflegt in seinem Äußeren, ein guter Anekdotenerzähler — «
    Lucy stampfte mit dem Fuß auf. »Gaston! Können Sie Ihr irres Gefasel nicht einen Moment unterbrechen? Sehen Sie denn nicht, daß es mir bitterernst ist?«
    »Ja, Lucy, ich wußte nicht — «
    »Oh, Gaston! Ich hab mich ihm versprochen, und jetzt will ich nichts, aber schon gar nichts mehr davon wissen!« weinte Lucy.
    Und schon weinte sie an meiner Schulter, genau wie Connie, aber um ein Gutteil erfreulicher.
    »Aber aber«, sagte ich, von Herzen hoffend, daß mein Taschentuch nach der wüsten Nacht in Whortleton nicht allzu schmierig sei.
    »Gaston, Lieber«, schluchzte Lucy. »Sie sind — Sie sind ein Aspirin für die Seele.«
    »Bin stets bereit, junge Damen bei einem akuten Anfall von Kummer zu behandeln, glauben Sie mir.«
    Lucy schluckte. »Ich hab soviel über Sie nachgedacht, liebster Gaston.«
    »Ach nein?« war alles, was ich herausbrachte — der Sonnenschein drang in die Speiseröhre herauf und in den Zwölffingerdarm hinunter.
    »Ich hab an die reizenden Tage gedacht, die wir mitsammen als Kinder in Whortleton verbrachten. Und wie schrecklich tapfer Sie waren, als Sie mir damals die Biene vom Nacken entfernten.«
    »Ach ja, richtig, diese Biene.«
    »Neulich wagte Basil nicht einmal, eine Mücke auf meinem Kragen zu erschlagen.«
    »Vielleicht wäre ich bei Mücken auch gerade kein Held«, gestand ich. »Bin ein ausgesprochener Bienenfachmann.«
    »Gaston — erinnern Sie sich an den Kuß, den Sie mir gaben?«
    »Hinter den Dünen, nicht wahr?«
    »Nein, bei der Kanalmündung.«
    »Ja, und du trugst deinen einteiligen Badeanzug.«
    »Ich konnte es nie vergessen.«
    »Ehrlich gestanden, Lucy«, sagte ich aus tiefstem Herzen, »ich auch nicht.«
    »Küß mich wieder, Gaston«, hub Lucy zu sprechen an.
    Aber ich hatte es bereits getan.
    »Was ist denn bei euch los, zum Teufel?« brüllte Squiffy durch den Briefkasten. »Klopfe schon stundenlang. Habt ihr die Lust am Trinken verloren, oder was ist sonst in euch gefahren?«
    »Und nun«, lächelte Lucy und nahm mich an der Hand, als ich die Türe öffnete, »kommt Gaston zu uns zum Lunch.«

22

    Am nächsten Morgen wurde ich durch ein dröhnendes Klopfen an meiner Eingangstüre geweckt.
    Verwirrt setzte ich mich in meinem Diwan auf. Es lag der wundervollste Tag meines Lebens hinter mir. Ich hatte in Lucys Wohnung geluncht, dann waren wir im Hyde Park spazierengegangen, wo wir seltsamerweise Squiffy verloren. Für den Rest dieses Sonntags konnten wir freilich keine großen Pläne schmieden, dank Miles’ und seiner hochmoralischen Freunde, aber es gelang mir, ein offenes Restaurant zu finden, in das ich Lucy ausführte, und nachher gingen wir, weil Lucy gerne noch ein Bier trinken wollte, in eine kleine Kneipe mitten unter den Lagerhäusern an der Bankside. Dann schritten wir Hand in Hand längs des Embankment dahin, entblößten ein bißchen unsere Seelen, beguckten das Lichtergefunkel von den Brücken und fühlten, daß die Natur sich langsam anschickte, den seligen James Whistler zu kopieren. Bevor ich noch auf den Gedanken verfiel, auf meine Uhr zu sehen, war es längst Mitternacht vorbei.
    Nun sah ich wieder auf meine Uhr und entdeckte, daß es bereits zehn

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