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Doktor auf Draht

Doktor auf Draht

Titel: Doktor auf Draht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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vorbei war. Ich war wohl recht erschöpft gewesen: in der vergangenen Nacht drunten in Whortleton hatte ich, sozusagen seelisch auf die
    Folter gespannt, nicht viel Schlaf gefunden, von der Matratze zu schweigen, die offenbar mit getrocknetem Tang gefüllt war.
    »Ja ja, ich komme schon«, schrie ich, als sich das dröhnende Klopfen wiederholte. »Dreschen Sie mir die verdammte Tür nicht aus den Angeln.«
    Wer zum Teufel mochte das sein? fragte ich mich, während ich meinen Morgenrock überwarf. Am Ende wieder Miles, der mich nach einem zweiten Zusammenstoß mit Connie bat, nochmals eine Scheidung in Szene zu setzen? Oder Squiffy, der die ganze Nacht lang im Hyde Park herumgestreift war? Oder vielleicht nur Mr. Hildenborough, um leere Flaschen einzusammeln?
    »Gleich, gleich zum Teufel!« rief ich, als es abermals trommelte. »Womit habt ihr euch denn gewappnet da draußen? Mit einem Dutzend Hellebarden und einem Sturmbock?«
    Ich riß die Türe auf. Auf dem Fußabstreifer standen Frau Direktor Hilda und Anemone.
    »Ach, mein armer, armer Junge!« rief Frau Direktor Hilda.
    Sie drückte mich an ihren Busen — ich fühlte mich wie in einer Gummizelle.
    »Armer, armer lieber Junge!«
    »Äh — guten Morgen, Frau Direktor Hilda. Schöner Tag heute, nicht?«
    »Sie armes liebes mißverstandenes Geschöpf!«
    »Guten Morgen, Anemone.« Wir Grimsdykes halten auf gute Manieren, auch zu den unwahrscheinlichsten Stunden. »Wollen Sie bitte weiter kommen? Ein Täßchen Kaffee? Ich bitte wegen der Bartstoppeln und Pantoffeln um Entschuldigung, aber ich vergaß, meinen Wecker aufzuziehen. Merkwürdig, wie lange man schlafen kann — «
    »Können Sie mir je verzeihen?« brach es aus Frau Direktor Hilda hervor.
    »Ich wüßte nicht, was da zu verzeihen wäre«, erwiderte ich höflich und griff nach der Kaffeekanne.
    »Wegen dieser Samstagnacht in Whortleton.«
    Ich lachte kurz auf. »Ach, deswegen? Ja, das war wohl ein allseits verpatzter Abend, was?«
    Frau Direktor Hilda starrte mich an. »Oh, Gaston, wie sehr bewundere ich die heitere Seelenstärke, mit der Sie Ihr inneres Weh vor der harten Welt verbergen.«
    »Ich weiß nicht — «
    »Genau wie Sir Philip Sydney.«
    »Es ist ein schöner Morgen, die Sonne scheint, die Vögel singen, und so weiter«, erklärte ich.
    »Dann werde ich Ihre frohe Stimmung vervollständigen. Ich habe alles gehört.«
    »Oh, tatsächlich, Frau Direktor Hilda? Vielleicht ein Stückchen Toast?«
    »Sir Lancelot — ein wundervoller Mann in vielfältiger Beziehung — hatte von allem Anfang an Ihren Cousin Miles in Verdacht. Gleich nach seiner Rückkehr nach London suchte er ihn in seinem Heim auf und erfuhr die ganze Geschichte. Als mich Sir Lancelot gestern abend anrief, erkannte ich, wie ungerecht und herzlos ich gewesen war. Es trifft Sie nicht der leiseste Schatten eines Tadels.«
    »Äußerst liebenswürdig von Ihnen, Frau Direktor Hilda. Marmelade?«
    »Diese ganze phantastische Affäre ist lediglich auf die hochgradige Erregbarkeit von Miles’ Frau zurückzuführen. Durchaus verständlich, bei ihrem Zustand. Noch vor nächstem Frühjahr wird Klein-Bartholomew einen Spielkameraden haben.«
    »Großer Gott, das ist also die Diagnose? Jetzt wundert’s mich nicht mehr, daß sie so scharf auf diese verflixten Kokosnüsse war.«
    »Und was nun Sie angeht, Gaston«, lächelte Frau Direktor Hilda, »so ist alles wieder, wie es immer war.«
    »Fein«, freute ich mich. »Es behagt mir gar nicht, muß ich sagen, unter einer dicken Wolke zu leben. Wo ich doch nie einen Regenschirm bei mir habe, wenn’s zu regnen beginnt.«
    »Mammi meint das in bezug auf uns beide«, ergriff Anemone zum erstenmal das Wort. »Dich und mich. Alles ist wieder beim alten.«
    »Ach richtig«, sagte ich. »Du und ich.«
    Komisch, irgendwie hatte ich Anemone völlig abgeschrieben.
    »Gaston, mein liebes Kind«, fuhr Frau Direktor Hilda fort, während sie mich wieder in der Gummizelle verstaute, »wo ist der Ring?«
    Ich fischte ihn aus meinem Tabaktopf.
    »Stecken Sie ihn gleich Anemone an. So, schön. Wie erhebend ist es doch, zwei junge Leute wieder glücklich zu sehen!«
    »Das sind wir. Nicht wahr, Nenny?« fragte ich.
    »Wir müssen sofort den Glückstag ansetzen«, erklärte ihre Mutter.
    »Mir scheint, ich höre den Kaffee kochen — «
    »Nun ihr wieder in Freuden vereint seid, würde ich Samstag in vierzehn Tagen dafür vorschlagen. Was haben Sie, Gaston, um Himmels willen?«
    »Nichts, Frau Direktor Hilda. Gar

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