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Doktor auf Draht

Doktor auf Draht

Titel: Doktor auf Draht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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nehmen.«
    »Mir ist das rätselhaft: so ein herrliches Wetter, und alle Menschen lassen den Kopf hängen. Als ich Lucy verließ, sah ihr Gesicht wie ein verregneter Sonntag in Schottland aus.«
    »Oh, wirklich?« Ich heiterte mich ein wenig auf.
    »Sie schien sehr enttäuscht darüber, daß du so plötzlich abberufen wurdest. Glaube, sie freute sich schon, in deiner Begleitung zu Lord’s und nach Glyndebourne zu fahren.«
    »Klar. Sie hat Kricket und Opern sehr gern.«
    »Nein, stimmt nicht ganz, keins von beiden.«
    »Halt den Mund«, sagte ich. »Es geht los.«
    Unser Sonderautobus glitt von der Victoria-Endhaltestelle in den Sonnenschein hinaus und trug unser Dutzend Mädchen den moralisch so heilkräftigen Brisen von Whortleton entgegen.
    »Bei diesen sorgsam ausgelesenen Mädchen erübrigt sich jede Mahnung, Gaston«, hatte Frau Direktor Hilda zum mir gesagt, bevor sie mit Anemone zu ihrem Zug eilte. »Dennoch beherzigen wir gewisse kleine Regeln, deren Beobachtung ich dir ans Herz lege. Um neun Uhr schlafen gehen, allmorgendlich eine kalte Waschung, weder Rauchen noch Trinken, und selbstverständlich kein Geschlechtsleben. Hier hast du ein Pfund, damit du ihnen Süßigkeiten kaufen kannst, wenn sie wirklich brav waren.«
    »Leben Sie wohl, Ma’am, Gott segne Sie«, riefen die Mädchen unisono.
    »Gute Ferien«, rief Frau Direktor Hilda zurück. »Und vergeßt nicht zu schreiben.«
    Ich gab Anemone einen Abschiedskuß, während Squiffy nach seinem Gepäck Ausschau hielt, das er bereits verloren hatte. Weiß nicht warum — aber ich hatte ihm meine Braut nicht vorgestellt. Eigentlich gehörte Anemone zu jener Sorte Mädchen, die man niemandem vorstellt. Ich kletterte in den Bus und stellte erleichtert fest, daß die Mädchen mit ihren weißen Kleidern und ihrem zurückgebürsteten Haar äußerst gesittet aussahen. Sie schienen zwischen zwölf und sechzehn Jahren alt zu sein und einigermaßen zu Akne und Schielen zu neigen, doch andererseits machten sie den gesunden, leicht karbol-umwitterten Eindruck von Institutszöglingen bei einem Ausflug.
    »Komisch, wieder nach Whortleton unterwegs zu sein«, bemerkte Squiffy, als der Chauffeur dem Süden Londons zustrebte. »Hab seit unserer Wiederbegegnung des öfteren an unseren lieben alten Ort gedacht. Und Lucy desgleichen. Gestern abend grub sie sogar ein altes Photo von uns dreien aus — mit Eimerchen und Schaufeln stehen wir da — und steckte es sich an ihren Spiegel.«
    »Oh, wirklich?« wiederholte ich.
    Squiffy machte eine Pause, wobei er versuchte, die Finger aus den Mittelhandknochen seiner Linken herauszuzerren.
    »Grim«, rief er dann aus, »gibt’s was zwischen dir und Lucy?«
    »Was sollte es geben? Nicht das geringste.«
    »Weißt du, sie hat Basils Bild als Romeo ins Badezimmer verbannt. Allerdings«, überlegte er laut, »hat sie ihn noch immer als Marc Anton, König Lear und Othello. Nein, stimmt auch nicht mehr — den Othello hat sie heute früh in die Schublade getan.«
    »Lucy ist bloß eine liebe gute alte Freundin von mir. Genauso wie du mein Freund bist.«
    Ich lehnte mich zurück. Ich war fest entschlossen, mich an meine Braut zu halten, das n-este M. d. W. Freilich kam ich mir dumpf wie das gemästete Kalb vor, als es die Schritte des Verlorenen Sohnes näherkommen hörte.
    Ich schnüffelte.
    »Sag mal, Squiffy, glaubst du nicht, daß der Bus Feuer gefangen hat?«
    Auch er schnüffelte. »Ja, gewiß, es riecht ein bißchen brenzlig.«
    »Schau, dort vorn steigt leichter Rauch auf«, rief ich und eilte den Mittelgang hinab, vom Wunsch beseelt, die kleinen Opfer aus der Glut zu retten.
    Auf den Vordersitzen pafften zwei Zwölfjährige selbstgerollte Zigaretten.
    »Äh — Kleine — «, begann ich, an die eine gewendet, die stark an Akne litt.
    »Geh, laß dich ausstopfen!«
    »Also hört mal!« Ich fühlte, wie mir der Kragen platzte. »Drückt sofort diese Glimmstengel aus!«
    Die zweite, mit Schielaugen begabte, warf einige von jenen Worten ein, die in den Abendblättern durch Auslassungspunkte wiedergegeben werden.
    »Ich habe euch aufgefordert, diese verdammten Glimmstengel auszudrücken!« wiederholte ich energisch.
    Diese Worte versetzten den Autobus in einen wilden Aufruhr, etwa der Art, wie er in Parlamentsberichten mit »Rufe der Entrüstung und des Verzichts« umschrieben wird, und entlockten der Schielenden weitere Auslassungspunkte.
    »Na schön, Lady Chatterley«, sagte ich ihr. »Rauch soviel du willst und schick dein

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