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Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Titel: Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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warum man sich nicht einfach drunterlegte …
    Und solche Fälle gibt es über hundert.
    Man muß sich stets die gleichen Hände waschen!
    Und wer Charakter hat, ist schon beschränkt!
    Womit soll man sich denn noch überraschen?
    Man muß schon gähnen, wenn man an sich denkt.
    Man hängt sich meterlang zum Hals heraus.
    In Worte läßt sich sowas gar nicht kleiden.
    Man blickt sich an - und hält den Blick nicht aus!
    Und kann sich (siehe oben!) selbst nicht leiden.
    Wie gerne wär man dann dies oder das!
    Ein Bild, ein Buch, im Wald ein Meilenstein, ein Buschwindröschen oder sonst etwas!
    Behüt dich Gott, es hat nicht sollen sein.
    Jedoch auch solche Tage gehn herum.
    Und man fährt fort, sich in die Brust zu werfen.
    Der Doktor nickt und sagt: Das sind die Nerven …
    Ja, wer zu klug wird, ist schon wieder dumm.

Eine Mutter zieht Bilanz
    Mein Sohn schreibt mir so gut wie gar nicht mehr.
    Das heißt, zu Ostern hat er mir geschrieben.
    Er denke gern an mich zurück, schrieb er, und würde mich, wie stets, von Herzen lieben.
    Das letztemal, als wir uns beide sahn, das war genau vor zweidreiviertel Jahren.
    Ich stehe manchmal an der Eisenbahn,
    wenn Züge nach Berlin - dort wohnt er - fahren.
    Und einmal kaufte ich mir ein Billett
    und wäre beinah nach Berlin gekommen!
    Doch dann begab ich mich zum Schalterbrett.
    Dort hat man das Billett zurückgenommen.
    Seit einem Jahr, da hat er eine Braut.
    Das Bild von ihr will er schon lange schicken.
    Ob er mich kommen läßt, wenn man sie traut?
    Ich würde ihnen gern ein Kissen sticken.
    Man weiß nur nicht, ob ihr sowas gefällt …
    Ob sie ihn wohl, wie er’s verdiente, liebt?
    Mir ist manchmal so einzeln auf der Welt.
    Ob es auch zärtlichere Söhne gibt?
    Wie war das schön, als wir zusammen waren!
    Im gleichen Haus … Und in der gleichen Stadt …
    Nachts lieg ich wach und hör die Züge fahren.
    Ob er noch immer seinen Husten hat?
    Ich hab von ihm noch ein Paar Kinderschuhe.
    Nun ist er groß und läßt mich so allein.
    Ich sitze still und habe keine Ruhe.
    Am besten wär’s, die Kinder blieben klein.

Möblierte Melancholie
    Mancher Mann darf, wie er möchte, schlafen.
    Und er möchte selbstverständlich gern!
    Andre Menschen will der Himmel strafen, und er macht sie zu möblierten Herrn.
    Er verschickt sie zu verkniffnen Damen.
    In Logis. Und manchmal in Pension.
    Blöde Bilder wollen aus den Rahmen.
    Und die Möbel sagen keinen Ton.
    Selbst das Handtuch möchte sauber bleiben.
    Dreimal husten kostet eine Mark.
    Um die alten Schachteln zu beschreiben, ist kein noch so starkes Wort zu stark.
    Das Klavier, die Köpfe und die Stühle
    sind aus Überzeugung stets verstaubt.
    Und die Nutzanwendung der Gefühle
    ist den Aftermietern nicht erlaubt.
    Und sie nicken nur noch wie die Puppen; denn der Mund ist nach und nach vereist.
    Untermieter sind Besatzungstruppen
    in dem Reiche, das Familie heißt.
    Alles, was erlaubt ist, ist verboten.
    Wer die Liebe liebt, muß in den Wald.
    Oder macht, noch besser, einen Knoten
    in sein Maskulinum. Und zwar bald.
    Die möblierten Herrn aus allen Ländern stehen fremd und stumm in ihrem Zimmer.
    Nur die Ehe kann den Zustand ändern.
    (Doch die Ehe ist ja noch viel schlimmer.) 

Das Herz im Spiegel
    Der Arzt notierte eine Zahl.
    Er war ein gründlicher Mann.
    Dann sprach er streng: »Ich durchleuchte Sie mal«, und schleppte mich nebenan.
    Hier wurde ich zwischen kaltem Metall
    zum Foltern aufgestellt.
    Der Raum war finster wie ein Stall
    und außerhalb der Welt.
    Dann knisterte das Röntgenlicht.
    Der Leuchtschirm wurde hell.
    Und der Doktor sah mit ernstem Gesicht mir quer durchs Rippenfell.
    Der Leuchtschirm war seine Staffelei.
    Ich stand vor Ergriffenheit stramm.
    Er zeichnete eifrig und sagte, das sei mein Orthodiagramm.
    Dann brachte er ganz feierlich
    einen Spiegel und zeigte mir den
    und sprach: »In dem Spiegel können Sie sich Ihr Wurzelwerk ansehn.«
    Ich sah, wobei er mir alles beschrieb, meine Anatomie bei Gebrauch.
    Ich sah mein Zwerchfell im Betrieb
    und die atmenden Rippen auch.
    Und zwischen den Rippen schlug sonderbar ein schattenhaftes Gewächs.
    Das war mein Herz! Es glich aufs Haar
    einem zuckenden Tintenklecks.
    Ich muß gestehn, ich war verstört.
    Ich stand zu Stein erstarrt.
    Das war mein Herz, das dir gehört,
    geliebte Hildegard?

    Laß uns vergessen, was geschah,
    und mich ins Kloster gehn.
    Wer nie sein Herz im Spiegel sah,
    der kann das nicht verstehn.
    Kind, das Vernünftigste wird sein,
    daß du

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