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Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Titel: Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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Zimmer.
    Sie schwieg und lachte dann und wann
    und erzählte und brachte Kuchen an
    und betrachtete ihn immer …
    Zehn ganze Tage blieb er hier!
    Bis zur allerletzten Minute.
    Dann fuhr er fort und winkte ihr.
    Sie stand verlassen am Bahnsteig 4
    und sagte gerührt: »Der Gute.«

Verzweiflung Nr. 1
    Ein kleiner Junge lief durch die Straßen und hielt eine Mark in der heißen Hand.
    Es war schon spät, und die Kaufleute maßen mit Seitenblicken die Uhr an der Wand.
    Er hatte es eilig. Er hüpfte und summte:
    »Ein halbes Brot. Und ein Viertelpfund Speck.«
    Das klang wie ein Lied. Bis es plötzlich verstummte.
    Er tat die Hand auf. Das Geld war weg.
    Da blieb er stehen und stand im Dunkeln.
    In den Ladenfenstern erlosch das Licht.
    Es sieht zwar gut aus, wenn die Sterne funkeln.
    Doch zum Suchen von Geld reicht das Funkeln nicht.
    Als wolle er immer stehen bleiben,
    stand er. Und war, wie noch nie, allein.
    Die Rolläden klapperten über die Scheiben.
    Und die Laternen nickten ein.
    Er öffnete immer wieder die Hände.
    Und drehte sich langsam hin und her.
    Dann war die Hoffnung endlich zu Ende.
    Er öffnete seine Fäuste nicht mehr ..
    Der Vater wollte zu essen haben.
    Die Mutter hatte ein müdes Gesicht.
    Sie saßen und warteten auf den Knaben.
    Der stand im Hof. Sie wußten es nicht.
    Der Mutter wurde allmählich bange.
    Sie ging ihn suchen. Bis sie ihn fand.
    Er lehnte still an der Teppichstange
    und kehrte das kleine Gesicht zur Wand.
    Sie fragte erschrocken, wo er denn bliebe.
    Da brach er in lautes Weinen aus.
    Sein Schmerz war größer als ihre Liebe.
    Und beide traten traurig ins Haus.

Höhere Töchter im Gespräch
    Die Eine sitzt. Die Andre liegt.
    Sie reden viel. Die Zeit verfliegt.
    Das scheint sie nicht zu stören.
    Die Eine liegt. Die Andre sitzt.
    Sie reden viel. Das Sofa schwitzt
    und muß viel Dummes hören.
    Sie sind sehr wirkungsvoll gebaut
    und haben ausgesuchte Haut.
    Was mag der Meter kosten?
    Sie sind an allen Ecken rund.
    Sie sind bemalt, damit der Mund
    und die Figur nicht rosten.
    Ihr Duft erinnert an Gebäck.
    Das Duften ist ihr Lebenszweck,
    vom Scheitel bis zur Zehe.
    Bis beide je ein Mann mit Geld
    in seine gute Stube stellt.
    Das nennt man dann: Die Ehe.
    Sie knabbern Pralinees und Zeit;
    von ihren Männern, Hut und Kleid
    und keine Kinder kriegend.
    So leben sie im Grunde nur
    als 44er Figur,
    teils sitzend und teils liegend.
    Ihr Kopf ist hübsch und ziemlich hohl.
    Sie fühlen sich trotzdem sehr wohl.
    Was läßt sich daraus schließen?
    Man schaut sie sich zwar gerne an,
    doch ganz gefielen sie erst dann,
    wenn sie das Reden ließen.

Ein Baum läßt grüßen
    Man reist von einer Stadt zur andern Stadt.
    Vier Schinkenbrote hat man schon gegessen.
    Der Zug fährt gut. Die Fahrt geht glatt.
    Man rechnet aus, ob man Verspätung hat, und fühlt sich frei von höhern Interessen.
    Man blickt durchs Fenster. Gänzlich ohne Zweck.
    Man könnte ebenso die Augen schließen.
    Dann schielt man nach dem Handgepäck.
    Am Zug tanzt Schnee vorbei. Ein Dorf im Dreck.
    Und Rhomboide. Doch das sind sonst Wiesen.
    Man gähnt. Und ist zu faul, die Hand zu nehmen.
    Man überlegt schon, ob man müde ist …
    Die Dame rechts soll sich was schämen!
    Wenn ihre Hüften bloß nicht näher kämen!
    Wie schnell der Mensch das Müdesein vergißt.
    Man überlegt sich, ob man ihr entweiche.
    Sie lehnt sich an. Und tut, als wär’s im Traum.
    Da sieht man draußen plötzlich eine Eiche!
    Es kann auch Ahorn sein. Das ist das Gleiche.
    Denn eins steht fest: Es ist ein Baum!
    Und da entsinnt man sich. Und ist entsetzt: Seit zwanzig Jahren sah man keine Felder!
    Das heißt, man sah sie wohl. Doch nicht wie jetzt!
    Wann sah man denn ein Blumenbeet zuletzt?
    Und wann zum letzten Male Birkenwälder?
    Man hat vergessen, daß es Gärten gibt.
    Und kleine Vögel drin, die abends flöten.
    Und blaue Veilchen, die die Mutter liebt …
    Und während sich die Dame näherschiebt, greift man gefaßt zu weitren Schinkenbröten.

Wiegenlied, väterlicherseits
    Schlaf ein, mein Kind! Schlaf ein, mein Kind!
    Man hält uns für Verwandte.
    Doch ob wir es auch wirklich sind?
    Ich weiß es nicht, schlaf ein, mein Kind!
    Mama ist bei der Tante …
    Schlaf ein, mein Kind! Sei still! Schlaf ein!
    Man kann nichts Klügres machen.
    Ich bin so groß. Du bist so klein.
    Wer schlafen kann, darf glücklich sein.
    Wer schlafen darf, kann lachen.
    Nachts liegt man neben einer Frau,
    die sagt: Laß mich in Ruhe!
    Sie liebt mich nicht. Sie ist so

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