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Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Titel: Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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»Schlaf wohl!« Und löscht den Lampenschimmer.
    Und gibt sich einen Kuß.
    Doch eh man’s lernt, ist es zu Ende!
    Wir bringen unsre Mütter bis nach Haus.
    Frau Haubold sagt, daß sie das reizend fände.
    Dann schütteln wir den Müttern kurz die Hände und fahren wieder in die Welt hinaus.

Ganz vergebliches Gelächter
    Eines Tages fällt ihm plötzlich auf,
    daß er schon seit langem nicht mehr lachte.
    Und nun prüft er seinen Lebenslauf,
    was er denn inzwischen machte.
    Manchmal, weiß er noch, war alles Sünde, manchmal hat er wie ein Vieh geflucht.
    Manchmal suchte er für alles Gründe,
    wie man Kragenknöpfe sucht.
    Doch nun will er lustig sein und lachen!
    Früher hat er das ganz gut gebracht.
    Und er wird es jetzt wie früher machen, und er stellt sich hin - und lacht.
    Ach, es ist ein schreckliches Gelächter!
    Er erschrickt und wird schnell wieder stumm.
    Warum, fragt er sich, klang es nicht echter?
    Und er weiß es nicht, warum.
    Und er geht dorthin, wo viele sitzen,
    weil er hofft, er würde dann wie sie.
    Und sie freuen sich an tausend Witzen -
    nur er selber lächelt nie.
    Er beschließt, sich einmal zu vergeuden.
    Doch da spürt er, angesichts der Stadt, daß er mit der Freude und den Freuden
    so etwas wie Mitleid hat.
    Dieser falsche Hochmut drückt ihn nieder, und er sagt zu seiner Seele: Prost!
    Nicht mehr froh zu sein und noch nicht wieder, dafür weiß er keinen Trost.
    Schließlich springt er auf den Autobus und fährt blindlings in die späte Nacht.
    Und er ahnt, daß er noch warten muß,
    bis er ganz von selber wieder lacht.

Trottoircafé bei Nacht
    Hinter sieben Palmenbesen,
    die der Wirt im Ausverkauf erstand,
    sitzt man und kann seine Zeitung lesen, und die Kellner lehnen an der Wand.
    An den Garderobenständern
    schaukeln Hüte, und der Abendwind
    möchte sie in Obst verändern.
    Aber Hüte bleiben, was sie sind.
    Sterne machen Lichtreklame.
    Leider weiß man nicht genau für wen.
    Und die Nacht ist keine feine Dame,
    sondern läßt uns ihr Gewölbe sehn.
    In der renommierten Küche
    brät der dicke Koch Filet und Fisch.
    Und er liefert sämtliche Gerüche
    seiner Küche gratis an den Tisch.
    Wenn man jetzt in einer Wiese
    läge, und ein Reh trät aus dem Wald,
    seine erste Frage wäre diese:
    »Kästner, pst! Wie hoch ist Ihr Gehalt?«
    Also bleibt man traurig hocken
    und hält Palmen quasi für Natur.
    Fliegen setzen sich auf süße Brocken.
    Und der Mond ist nur die Rathausuhr.
    Sieben Palmen wedeln mit den Fächern,
    denn auch ihnen wird es langsam heiß.
    Und die Nacht sitzt dampfend auf den Dächern.
    Und ein Gast bestellt Vanille-Eis.

Selbstmörder halten Asternbuketts
    Wie oft man in der Zeitung liest,
    daß der und der - weil er Geld unterschlug, zur Flucht zu wenig, fürs Zuchthaus genug -
    sich am Grabe der Mutter erschießt.
    Die Selbstmörder sitzen am Elterngrab, auf der kleinen, grünen Bank,
    verstehen nicht mehr, wie sich alles begab, und fühlen sich alt und krank.
    Sie sagten, ehe sie gingen, zu Haus
    (als jemand sie fragte, warum),
    sie brächten nur rasch ein paar Blumen hinaus, und nicht: sie brächten sich um.
    Die Selbstmörder halten ein Asternbukett und lesen den Text auf dem Stein:
    »Hier ruht unsre gute Mutter, Frau Z.«, und denken, sie wird es verzeihn.
    Am anderen Ende der Ahornallee
    ist ein Begräbnis im Gang.
    Sie sehen Zylinder und fremdes Weh
    und hören Männergesang.
    Die Selbstmörder lächeln die Mutter an, die unter dem Rasen ruht.
    Daß ein toter Mensch nicht mehr sehen kann, finden die Selbstmörder gut.
    Das Wetter ist mäßig. Der Himmel ist grau.
    Sie haben vom Leben genug.
    Sie beichten alles der toten Frau,
    und das ist ein schöner Zug.
    Sie haben Pistolen zu sich gesteckt,
    weil sehr viel Schande droht.
    Und ehe man noch ihre Schuld entdeckt, schießen sie sich tot …

    Wie oft man in der Zeitung liest,
    daß der und der - weil er Geld unterschlug und seine Angst nicht länger ertrug -
    sich am Grabe der Mutter erschießt.

Nächtliches Rezept für Städter
    Man nehme irgend einen Autobus.
    Es kann nicht schaden, einmal umzusteigen.
    Wohin, ist gleich. Das wird sich dann schon zeigen.
    Doch man beachte, daß es Nacht sein muß.
    In einer Gegend, die man niemals sah
    (das ist entscheidend für dergleichen Fälle), verlasse man den Autobus und stelle
    sich in die Finsternis und warte da.
    Man nehme allem, was zu sehn ist, Maß.
    Den Toren, Giebeln, Bäumen und Balkonen, den Häusern und den Menschen, die drin wohnen.
    Und glaube

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