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Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.

Titel: Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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bös.
    Ein bißchen küssen … Und ein bißchen streicheln …
    Ach, wer sich liebt, den macht Berlin nervös.
    Was hilft das alles? Reizend war es heute.
    Vermutlich kriegst du wieder Krach zu Haus.
    Es ist, als wohnten hier gar keine Leute.
    Na ja, und ich muß morgen zeitig raus.
    Ich bringe dich noch bis zur Haltestelle.
    Gleich ist es Zeit. Gleich kommt dein Autobus.
    Hast du mich lieb? Gib mir noch einen Kuß.
    Und Mittwoch sehn wir uns. Auf alle Fälle. Nun aber Schluß!

Kurzgefaßter Lebenslauf
    Wer nicht zur Welt kommt, hat nicht viel verloren.
    Er sitzt im All auf einem Baum und lacht.
    Ich wurde seinerzeit als Kind geboren, eh ich’s gedacht.
    Die Schule, wo ich viel vergessen habe, bestritt seitdem den größten Teil der Zeit.
    Ich war ein patentierter Musterknabe.
    Wie kam das bloß? Es tut mir jetzt noch leid.
    Dann gab es Weltkrieg, statt der Großen Ferien.
    Ich trieb es mit der Fußartillerie.
    Dem Globus lief das Blut aus den Arterien.
    Ich lebte weiter. Fragen Sie nicht, wie.
    Bis dann die Inflation und Leipzig kamen.
    Mit Kant und Gotisch, Börse und Büro,
    mit Kunst und Politik und jungen Damen.
    Und sonntags regnete es sowieso.
    Nun bin ich beinah 40 Jahre
    und habe eine kleine Versfabrik.
    Ach, an den Schläfen blühn schon graue Haare, und meine Freunde werden langsam dick.
    Ich setze mich sehr gerne zwischen Stühle.
    Ich säge an dem Ast, auf dem wir sitzen.
    Ich gehe durch die Gärten der Gefühle, die tot sind, und bepflanze sie mit Witzen.
    Auch ich muß meinen Rucksack selber tragen!
    Der Rucksack wächst. Der Rücken wird nicht breiter.
    Zusammenfassend läßt sich etwa sagen:
    Ich kam zur Welt und lebe trotzdem weiter.

Kleine Stadt am Sonntagmorgen
    Das Wetter ist recht gut geraten.
    Der Kirchturm träumt vom lieben Gott.
    Die Stadt riecht ganz und gar nach Braten und auch ein bißchen nach Kompott.
    Am Sonntag darf man lange schlafen.
    Die Gassen sind so gut wie leer.
    Zwei alte Tanten, die sich trafen,
    bestreiten rüstig den Verkehr.
    Sie führen wieder mal die alten
    Gespräche, denn das hält gesund.
    Die Fenster gähnen sanft und halten
    sich die Gardinen vor den Mund.
    Der neue Herr Provisor lauert
    auf sein gestärktes Oberhemd.
    Er flucht, weil es so lange dauert.
    Man merkt daran: Er ist hier fremd.
    Er will den Gottesdienst besuchen,
    denn das erheischt die Tradition.
    Die Stadt ist klein. Man soll nicht fluchen.
    Pauline bringt das Hemd ja schon!
    Die Stunden machen kleine Schritte
    und heben ihre Füße kaum.
    Die Langeweile macht Visite.
    Die Tanten flüstern über Dritte.
    Und drüben, auf des Marktes Mitte,
    schnarcht leise der Kastanienbaum.

Exemplarische Herbstnacht
    Nachts sind die Straßen so leer.
    Nur ganz mitunter
    markiert ein Auto Verkehr.
    Ein Rudel bunter,
    raschelnder Blätter jagt hinterher.
    Die Blätter jagen und hetzen.
    Und doch weht kein Wind.
    Sie rascheln wie Fetzen und hetzen
    und folgen geheimen Gesetzen,
    obwohl sie gestorben sind.
    Nachts sind die Straßen so leer.
    Die Lampen brennen nicht mehr.
    Man geht und möchte nicht stören.
    Man könnte das Gras wachsen hören,
    wenn Gras auf den Straßen wär.
    Der Himmel ist kalt und weit.
    Auf der Milchstraße hat’s geschneit.
    Man hört seine Schritte wandern,
    als wären es Schritte von andern,
    und geht mit sich selber zu zweit.
    Nachts sind die Straßen so leer.
    Die Menschen legten sich nieder.
    Nun schlafen sie, treu und bieder.
    Und morgen fallen sie wieder
    übereinander her.

Die Heimkehr des verlorenen Sohnes
    Erst wollte er bis ans Mittelmeer.
    Er war schon auf halber Strecke
    und stieg im Schnee und in Innsbruck umher.
    Der Himmel war blau. Das gefiel ihm sehr.
    Und er staunte an jeder Ecke.
    Dann hatte er noch zehn Tage Zeit
    und wollte nach Nizza reisen.
    Er war vergnügt wie nicht gescheit
    und lachte und dachte: Die Welt ist zwar weit, doch ich werde ihr’s schon beweisen.
    So kam der Tag, an dem er fuhr.
    Es war schon alles in Butter.
    Da blickte er plötzlich erstaunt auf die Uhr und pfiff auf Nizza und die Natur
    und reiste zu seiner Mutter.
    Die Fahrt erschien ihm wunderbar.
    Er winkte jedem Flüßchen.
    Es war schon über ein volles Jahr,
    daß er nicht mehr zu Hause war.
    Und da schämte er sich ein bißchen.
    Dann kam er an und stieg schnell aus,
    mit seinen Koffern und Taschen.
    Er kaufte Blumen und fuhr nach Haus
    und sagte versteckt hinterm Blumenstrauß:
    »Ich wollte dich überraschen.«
    Jetzt saß er zwar nicht in Nizza und Cannes, doch er saß in Mutters

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