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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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entwickeln und vielleicht verderben. Wie ich das verstehe! Mais c'est dommage, pourtant. An persönlichem Reiz erleiden die Konzerte dadurch eine entschiedene Einbuße. Ah, bah, wir werden uns zu helfen wissen! Wir werden uns nach weltbekannten Chefs d'orchestre als Interpreten umsehen – wir werden uns nicht lange umzusehen haben! Der ständige Begleiter von Mme. de Strozzi-Pečič wird das Accompagnement der Lieder übernehmen, und wenn Sie, maître, nur überhaupt mitkommen, nur überhaupt dabei sind und sich dem Publikum zeigen, so wird nichts verloren, wird alles gewonnen sein.
    Dies allerdings ist Bedingung, – ah, non! Sie dürfen mir nicht die Aufführung Ihrer Werke in absentia anheimgeben! Ihr persönliches Erscheinen ist unerläßlich, particulièrement à Paris, wo der musikalische Ruhm in drei, vier Salons gemacht wird. Was kostet es Sie, einige Male zu sagen: ›Tout le monde sait, {585} Madame, que votre jugement musical est infaillible‹? Es kostet Sie nichts, und Sie werden eine Menge Vergnügen davon haben. Als gesellschaftliche Ereignisse kommen meine Veranstaltungen gleich nach den Premièren von Herrn Diaghilews Ballet Russe, –
wenn
sie nach ihnen kommen. Sie werden jeden Abend eingeladen sein. Nichts schwieriger, im allgemeinen, als in die vornehme Pariser Gesellschaft einzudringen. Für einen Künstler jedoch ist nichts leichter als das – und befände er sich auch erst im Vorstadium des Ruhms, der skandalösen Vielberufenheit. Die Neugier legt jede Barrière nieder, sie schlägt alle Exklusivität aus dem Felde …
    Aber was rede ich viel von der vornehmen Gesellschaft und ihrer Neugier! Ich sehe wohl, daß es mir nicht gelingt, damit Ihre Neugier, cher Maitre, zu entzünden. Wie sollte ich auch? Ich habe gar nicht im Ernst den Versuch dazu gemacht. Was geht Sie die vornehme Gesellschaft an? Entre nous – was geht sie mich an? Geschäftlich – dies und das. Aber innerlich? Nicht
so
viel. Dieses Milieu, dieses Pfeiffering, und das Zusammensein mit Ihnen, Maître, tragen nicht wenig dazu bei, mir die Gleichgültigkeit, die Geringschätzung bewußt zu machen, die ich jener Welt der Frivolität und Oberflächlichkeit entgegenbringe. Dites-moi donc: Stammen Sie nicht aus Kaisersaschern an der Saale? Was für eine ernste, würdige Herkunft! Nun, ich, ich nenne Ljublin meinen Geburtsort, – auch eine würdige, altersgraue Stätte, von der man einen Fonds von sévérité ins Leben mitnimmt, un état d'âme solennel et un peu gauche … Ach, ich bin der Letzte, Ihnen die elegante Gesellschaft preisen zu wollen. Aber Paris wird Ihnen Gelegenheit geben, die interessantesten, stimulierendsten Bekanntschaften zu machen unter Ihren Brüdern in Apoll, Ihren Mitstrebenden und Pairs, Malern, Schriftstellern, Sternen des Balletts, Musikern vor allem. Die Spitzen europäischer Erfahrung und des artistischen Experiments, sie alle sind meine Freunde, und sie sind bereit, die {586} Ihren zu sein, Jean Cocteau, der Dichter, Massine, der Tanzmeister, Manuel de Falla, der Komponist, Les Six, die sechs Größen der neuen Tonkunst, – diese ganze hohe und amüsante Sphäre des Wagnisses und des Affronts, sie wartet nur auf Sie, Sie gehören dazu, sobald Sie nur wollen …
    Ist es möglich, daß ich einen gewissen Widerstand auch dagegen in Ihrer Miene lese? Aber hier, cher Maître, ist nun wirklich jede Scheu, jedes embarras ganz fehl am Platze, – worin immer solche isolierenden Gefühle ihren Grund haben mögen. Ich bin weit entfernt, nach diesen Gründen zu forschen, die respektvolle und, ich möchte sagen, gebildete Annahme genügt mir vollkommen, daß sie vorhanden sind. Dieses Pfeiffering, ce refuge étrange et érémitique, – es wird seine eigene interessante, seelische Bewandtnis damit haben – mit Pfeiffering. Ich frage nicht, ich überschlage alle Möglichkeiten, ich ziehe sämtliche, auch die ausgefallensten, freimütig in Betracht. Eh bien, was weiter? Ist das ein Grund zum embarras angesichts einer Sphäre unbegrenzter Vorurteilslosigkeit, – einer Vorurteilslosigkeit, die ihrerseits ihre guten Gründe hat? Oh, la, la! So ein Cirkel den Geschmack bestimmender Genies und mondäner Kunst-Koryphäen pflegt sich ja aus lauter demi-fous excentriques, maroden Seelen und ausgepichten Sündenkrüppeln zusammenzusetzen. Ein Impresario, c'est une espèce d'infirmier, voilà!
    Und nun sehen Sie, wie schlecht ich meine Sache führe, dans quelle manière tout à fait maladroite! Daß ich es

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