Doktor Faustus
précisement humain, mais extrèmement respectable. Sollen wir Juden, die wir ein priesterliches Volk sind, auch wenn wir in Pariser Salons minaudieren, uns nicht zum Deutschtum hingezogen fühlen und uns nicht ironisch stimmen lassen von ihm gegen die Welt und die Kunst für die kleine Freundin? Volkstümlichkeit wäre für uns eine den Pogrom herausfordernde Frechheit. Wir sind international – aber wir sind pro-deutsch, sind es wie niemand sonst in der Welt, schon weil wir gar nicht umhinkönnen, die Verwandtschaft der Rolle von Deutschtum und Judentum auf Erden wahrzunehmen. Une analogie frappante! Gleicherweise sind sie verhaßt, verachtet, gefürchtet, beneidet, gleichermaßen befremden sie und sind befremdet. Man spricht vom Zeitalter des Nationalismus. Aber in Wirklichkeit gibt es nur zwei Nationalismen, den deutschen und den jüdischen, und der aller anderen ist Kinderspiel dagegen – wie das Stockfranzosentum eines Anatole France die reine Mondänität ist im Vergleich mit der deutschen Einsamkeit – und dem jüdischen Erwähltheitsdünkel … France – ein nationalistischer nom de guerre. Ein deutscher Schriftsteller könnte sich nicht gut ›Deutschland‹ nennen, so nennt man höchstens ein Kriegsschiff. Er müßte sich mit ›Deutsch‹ begnügen – und da gäbe er sich einen jüdischen Namen, – oh, la, la!
Meine Herren, dies ist nun wirklich der Türgriff, ich bin schon draußen. Ich sage nur eines noch. Die Deutschen sollten {592} es den Juden überlassen, pro-deutsch zu sein. Sie werden sich mit ihrem Nationalismus, ihrem Hochmut, ihrer Unvergleichlichkeitspuschel, ihrem Haß auf Einreihung und Gleichstellung, ihrer Weigerung, sich bei der Welt einführen zu lassen und sich gesellschaftlich anzuschließen, – sie werden sich damit ins Unglück bringen, in ein wahrhaft jüdisches Unglück, je vous le jure. Die Deutschen sollten dem Juden erlauben, den médiateur zu machen zwischen ihnen und der Gesellschaft, den manager, den Impresario, den Unternehmer des Deutschtums – er ist durchaus der rechte Mann dafür, man sollte ihn nicht an die Luft setzen, er ist international, und er ist pro-deutsch … Mais c'est en vain. Et c'est très dommage! Was rede ich noch? Ich bin längst fort. Cher Maître, j'etais enchanté. J'ai manqué ma mission, aber ich bin entzückt. Mes respects, monsieur le professeur. Vous m'avez assisté trop peu, mais je ne vous en veux pas. Mille choses à Madame Schwei-ge-still. Adieu, adieu …«
XXXVIII
Meine Leser sind unterrichtet darüber, daß Adrian das jahrelang beharrlich gehegte und geäußerte Anliegen Rudi Schwerdtfegers erfüllt und ihm ein Violin-Konzert auf den Leib geschrieben, ihm das glänzende, geigerisch außerordentlich dankbare Stück auch persönlich zugeeignet und ihn sogar nach Wien zur Erstaufführung begleitet hatte. Ich werde an ihrem Ort die Tatsache besprechen, daß er einige Monate später, i.e. gegen Ende 1924 auch den Wiederholungen in Bern und Zürich beiwohnte. Dem zuvor aber möchte ich, in ernstestem Zusammenhang auf die vielleicht vorlaute, vielleicht mir nicht anstehende Kennzeichnung zurückkommen, die ich weiter oben dieser Komposition zuteil werden ließ, des Sinnes, sie falle durch eine gewisse verbindliche virtuos-konzertante Willfährtigkeit der musikalischen Haltung ein wenig aus dem Rahmen {593} von Leverkühns unerbittlich radikalem und zugeständnislosem Gesamtwerk. Ich kann nicht umhin, zu glauben, daß die Nachwelt diesem meinem »Urteil« – mein Gott, ich hasse das Wort! – zustimmen wird, und was ich hier tue, ist ja nichts anderes, als ihr seelische Erläuterungen für eine Erscheinung zu geben, zu der ihr sonst der Schlüssel fehlen würde.
Es ist ein Besonderes mit dem Stück: In drei Sätzen geschrieben, führt es kein Vorzeichen, doch sind, wenn ich mich so ausdrücken darf, drei Tonalitäten darin eingebaut, B-dur, C-dur und D-dur, – von denen, wie der Musiker sieht, das D-dur eine Art von Dominante zweiten Grades, das B-dur eine Subdominante bildet, während das C-dur die genaue Mitte hält. Zwischen diesen Tonarten nun spielt das Werk aufs kunstreichste, so, daß die längste Zeit keine von ihnen klar in Kraft gesetzt, sondern jede nur durch Proportionen zwischen den Klängen angedeutet ist. Durch weite Komplexe hin sind alle drei überlagert, bis endlich, auf eine allerdings triumphale, jedes Konzertpublikum elektrisierende Weise, C-dur sich offen erklärt. Es gibt da, im ersten Satz, der
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