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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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gesehen, mit erläuternden, aber, weil sie oft nicht recht dazu paßten, seine Worte eher verwischenden und verfremdenden und dabei höchst anmutigen, vag ausdrucksvollen Gebärden seiner Ärmchen und Spielhändchen begleitete.
    Dies, beiläufig, ist Nepo Schneideweins – ist, wie nach seinem Beispiel gleich alle ihn nannten, »Echo's« Beschreibung, so gut das unbeholfen sich annähernde Wort sie dem, der nicht sah, zu geben vermag. Wieviele Schriftsteller vor mir schon mögen die Untauglichkeit der Sprache beseufzt haben, Sichtbarkeit zu erreichen, ein wirklich genaues Bild des Individuellen hervorzubringen! Das Wort ist geschaffen für Lob und Preis, es ist ihm verliehen, zu erstaunen, zu bewundern, zu segnen und die Erscheinung durch das Gefühl zu kennzeichnen, das sie erregt, aber nicht, sie zu beschwören und wiederzugeben. Mehr, als durch den Versuch eines Portraits, tue ich wahrscheinlich für meinen lieblichen Gegenstand, indem ich bekenne, daß heute, nach vollen siebzehn Jahren, die Tränen mir in die Augen treten beim Gedanken an ihn, welches zu {669} gleich mich doch mit einer grundseltsamen, ätherischen, nicht ganz irdischen Heiterkeit erfüllt.
    Die Antworten, die er unter reizendem Gestenspiel auf Fragen nach seiner Mutter, seiner Reise, seinem Aufenthalt in der großen Stadt München erteilte, hatten, wie gesagt, prononciert schweizerischen Akzent und wiesen, im Silber-Timbre seines Stimmchens, viel Dialekthaftes auf, wie »Hüsli« statt Haus, »Öppis Feins« für »Etwas Feines« und »es bitzli« statt »ein bißchen«. Eine Vorliebe für »also« fiel ebenfalls auf, in Verbindungen wie »Es war also herzig« u. dergl. mehr. Auch kam mehreres würdig Stehengebliebene aus älterer Sprache in seiner Rede vor, wie er z.B. von etwas, woran er sich nicht mehr erinnern konnte, sagte: »Es ist mir abgefallen«, und wie er schließlich erklärte: »Mehr neue Zitig (für ›Zeitung‹) weiß ich nicht«. Er sagte dies aber merklich nur, weil es ihm darum zu tun war, den Cercle zu beenden, denn danach kamen folgende Worte von seinen Bienenlippen:
    »Echo dünkt es nicht wohlanständig, länger noch außer Dach zu bleiben. Es ziemt sich, daß er ins Hüsli geht, den Oheim zu grüßen.«
    Damit streckte er sein Händchen nach der Schwester aus, damit sie ihn hineinführe. In diesem Augenblick aber trat Adrian, der geruht und sich inzwischen fertig gemacht hatte, selbst auf den Hof hinaus, um seiner Nichte Willkommen zu bieten.
    »Und dies ist«, sagte er, nachdem er das junge Mädchen begrüßt und sich über ihre Ähnlichkeit mit der Mutter ausgelassen hatte, »und dies ist unser neuer Hausgenosse?«
    Er hielt Nepomuks Hand und blickte, schnell versunken, in das süße Licht dieser in azurnem Lächeln zu ihm aufgeschlagenen Augensterne.
    »Nun, nun«, sagte er nur, indem er der Bringerin langsam zunickte und dann zu dem Anblick zurückkehrte. Niemandem {670} konnte seine Bewegung entgehen, auch dem Kinde nicht, und statt dreist zu klingen, hatte es etwas rücksichtsvoll Vertuschendes, treuherzig Beschwichtigendes und die Sache zum Schlichten und Freundschaftlichen Auslegendes, als Echo – und dies war das erste Wort, das es zu dem Onkel sprach – einfach feststellte:
    »Gelt, da freust du dich, daß ich gekommen bin.«
    Alles lachte, auch Adrian.
    »Das will ich meinen!« erwiderte er. »Und ich hoffe, du freust dich auch, uns alle kennen zu lernen.«
    »Es ist eine wohl-lustbarliche Begegnig«, sagte das Knäbchen wundersam.
    Wieder wollten die Umstehenden herauslachen, aber Adrian legte, den Kopf gegen sie schüttelnd, den Finger auf den Mund.
    »Man muß doch«, sagte er leise, »das Kind nicht mit Gelächter verwirren. Ist auch kein Grund zum Lachen, was meinen Sie, Mutter?« wandte er sich an Frau Schweigestill.
    »Gar ka Grund!« antwortete sie mit übertrieben fester Stimme und führte den Zipfel ihrer Schürze zum Auge.
    »So wollen wir hineingehen«, entschied er und nahm wieder Nepomuks Hand, ihn zu führen. »Gewiß habt ihr unseren Gästen eine kleine Erfrischung vorbereitet.«
    Das war geschehen. Im Nike-Saal wurde Rosa Schneidewein mit Kaffee, der Kleine mit Milch und Kuchen bewirtet. Sein Onkel saß mit am Tisch und sah ihm zu bei der Mahlzeit, die er sehr zierlich und reinlich einnahm. Mit seiner Nichte hielt Adrian dabei wohl einiges Gespräch, hörte aber schlecht auf das, was sie sagte, beschäftigt wie er war, mit dem Anschauen des Elfen und ebenso sehr damit, seine Ergriffenheit

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