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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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und laden lassen durch meinen herzlich getreuen Famulus und special Freund, welches mich noch zu erinnern weiß unsers Schulgangs von Jugend auf, da wir zu Hallen mit einander studierten, doch davon, und wie Hochmut und Greuel schon anhuben bei diesem Studieren, weiter herab in meinem Sermoni.«
    Hierbei blickten viele schmunzelnd nach mir, der ich doch vor Rührung nicht lächeln konnte, da es dem Teueren gar nicht gleich sah, daß er meiner mit so weicher Erinnerung gedachte. Aber gerade dies, daß sie Tränen in meinen Augen sahen, belustigte die Meisten; und ich erinnere mich mit Widerwillen, daß Leo Zink seine große, von ihm viel verspottete Nase laut in sein Schnupftuch schneuzte, um eine sichtliche Bewegung zu karikieren, womit er auch wieder einiges Kichern für sich gewann. Adrian schien es nicht wahrzunehmen.
    »Muß mich«, fuhr er fort, »zuvörderst auch für euch entschüldigen« (er verbesserte sich und sagte: »entschuldigen«, wiederholte dann aber: »entschüldigen«) »und euch bitten, deß nicht Beschwerung zu tragen, daß unser Hund Prästigiar , er wird wohl Suso genannt, heißt aber in Wahrheit Prästigiar, sich so übel gehube und euch ein so hellisch Gekleff und Geplerr vor den Ohren gemacht, da ihr euch doch um meinet {719} willen habt solcher Mühe und Beschwer unterwunden. Wir hätten jedem von euch ein überhohes Pfeifchen, hörbar nur dem Hunde, sollen einhändigen, daß er schon von weitem verstanden hätte, es kommen nur gute gebetene Freunde, mit Begeren von mir zu hören, was ich unter seiner Wache getan, und wie ichs all die Jahre her getrieben.«
    Über das Pfeifchen wurde wieder von einigen Seiten höflich etwas gelacht, wenn auch mit Befremden. Er aber ging weiter und sprach:
    »Nun habe ich zu euch eine freundliche christliche Bitt, ihr wollet mein Fürtragen nicht in Argem auf- und annehmen, sondern es zum besten verstehen, denn ich ein wahrhaft Verlangen habe, euch Guten und Harmlosen, wenn nicht Unsündigen, so doch nur gewöhnlich und erträglich Sündigen, die ich darum herzlich veracht, aber inbrünstig beneide, ein voll, mitmenschlich Geständnis zu tun, da mir das Stundglas vor den Augen steht, daß ich gewärtig sein muß, wenn es ausläuft die letzten Körnchen durch die Enge und er mich holen wird, gegen den ich mich mit meinem eigenen Blut so teuer verschrieben, daß ich mit Leib und Seele ewig sein gehören wollen und in sein Hände und Gewaltsam fallen, wann das Glas ausgeronnen und die Zeit, so seine Ware ist, zum Ende gelaufen.«
    Hier wurde noch einmal da und dort durch die Nase gelacht, aber es gab auch einiges Zungenschnalzen am Gaumen nebst Kopfschütteln, wie über eine Taktlosigkeit, und einige begannen, finster forschend zu blicken.
    »Wißt es also«, sagte der am Tische, »ihr Guten und Frommen, die ihr mit euerer mäßigen Sünd in Gotes« (wieder verbesserte er sich und sagte: »Gottes«, kam aber dann auf die andere Form zurück) »die ihr in Gotes Gnade und Nachsicht ruhet, denn ich habe es so lange bei mir verdruckt, wills euch aber nicht länger verhalten, daß ich allbereit seit meinem einundzwanzigsten Jahr mit dem Satan verheirat bin und habe {720} mit Wissen der Fahr, aus wohlbedachtem Mut, Stolz und Verwegenheit, weil ich in dieser Welt einen Ruhm erlangen wollen, eine Versprechung und Bündnis mit ihm aufgerichtet, also daß alles, was ich währender Frist von vierundzwanzig Jahren vor mich gebracht, und was die Menschen mit Recht mißtrauisch betrachtet, nur mit seiner Hilf zustandkommen, und ist Teufelswerk, eingegossen vom Engel des Giftes. Denn ich dachte wohl: Wer da kegeln will, muß aufsetzen, und muß heute Einer den Teufel zu Huld nehmen, weil man zu großem Fürnehmen und Werk niemands sonsten kann brauchen und haben, denn ihn.«
    Jetzt herrschte peinlich gespannte Stille im Saal. Wenige waren, die noch gemächlich zuhörten, dagegen sah man viele hochgezogene Brauen und Gesichter, in denen zu lesen war: Wo will das hinaus, und wie steht es hier? Hätte er einmal gelächelt oder geblinzelt, um seine Worte als Künstlermystifikation zu kennzeichnen, so wäre noch halbwegs alles gut gewesen. Aber er tat's nicht, sondern saß da in bleichem Ernst. Einige blickten fragend nach mir, wie denn das nun gemeint sei, und wie ich's verantworten wollte; und vielleicht hätte ich einschreiten und die Versammlung auflösen sollen – aber mit welcher Begründung? Es gab nur entwürdigende und preisgebende, und ich fühlte, daß ich den Dingen

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