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Doktor im Glück

Doktor im Glück

Titel: Doktor im Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Anspruch genommen, als daß er sich nach meinem Ergehen erkundigt hätte. Dann fuhr ich eines Samstagnachmittags nach Gloucester hinüber, um mir ein Cricketmatch anzusehen, und machte unterwegs einen Sprung in das Jenner Memorial Hospital, um Lord Nutbeam während der Teezeit einen Besuch abzustatten.
    Seine Gnaden lag, sehr adrett aussehend, in einem Privatzimmer; eine Smith-Petersen-Nadel hielt seine Hüfte zusammen. Wir hatten allerdings nicht viel Gelegenheit zu einem ruhigen Plausch — die modernen orthopädischen Stationen sind von Betriebsamkeit erfüllte Örtlichkeiten, wo die hübschen Mädchen von der physiotherapeutischen Abteilung ihre kühlen Hände auf fiebernde Gelenke legen und die Patienten lehren, die Beine in die Luft zu werfen, als müßten sie die Wache vor dem Arsenal beziehen. Aber der Alte schien dies alles höchlichst zu genießen, und während ihm eine kleine rothaarige Stationsschwester den Kopf bürstete, begann er mich um meine Ansichten über die Originalwerke des Hippokrates zu befragen.
    «Bald werden Sie wieder über Ihren Büchern sitzen», tröstete ich ihn schnell, da ich dieses Thema nicht weiter ausspinnen wollte.
    «Wahrhaftig, Doktor, ich glaube, meine Bibliothek ist mein einziges Vergnügen im Leben. Nur an den Samstagabenden spiele ich zur Abwechslung manchmal Klavier.»
    Gerade meditierte ich darüber, daß ein solches Dasein binnen vierzehn Tagen meinen Tod herbeiführen würde, als wir durch den Chirurgen unterbrochen wurden, einen großen, rotgesichtigen, munteren Iren. Eigentlich sehen, nebenbei bemerkt, die meisten Orthopäden, desgleichen die Augenärzte, wie magenkranke Uhrmacher aus, während die Urologen große Ähnlichkeit mit prosperierenden Handelsreisenden haben.
    «Nun gehört er wieder ganz Ihnen, Junge», sagte der Chirurg, als wir nach einer Untersuchung des Patienten das Zimmer verließen. «Seine Wiederherstellung wird zu Hause angenehmer erfolgen, und seine Schwägerin scheint ja eine ganz akzeptable Pflegerin zu sein. Jedenfalls geh ich am Montag in Urlaub, will einen Monat lang in meiner Heimat, im County Mayo, Fische fangen. Wie steht's übrigens, so ganz nebstbei, mit seinen Finanzen?»
    «Der Dorffama zufolge wühlt er im Geld.»
    «Tatsächlich?» Der Orthopäde schien bei der Aussicht auf einen weiteren Fischzug an Lord Nutbeams Hüfte geradezu aufzublühen. «Komischer Kerl, finden Sie nicht auch? Wäre ihm nicht im Traum eingefallen, mit einem unserer frisch ausgebrüteten Gänschen zu schäkern. Werde Ihnen die üblichen Behandlungsanweisungen zugehen lassen. Bis dahin legen Sie ihm ans Herz, seine Lektüre auf das unterste Bücherbrett zu beschränken.»
    Als man einige Morgen später Seine Gnaden in Nutbeam Hall auslud und ich seinen neuen Rollstuhl in die Bibliothek schob, war ich mit mir recht zufrieden. Die ganze Episode hatte übrigens mein ärztliches Ansehen in Long Wotton schon ungeheuer gehoben. Ich will damit keineswegs sagen, daß mir bis dahin die Eingeborenen feindlich gesinnt waren, aber auf dem Lande pflegt man einen Menschen, der nicht schon seit dreißig Jahren dort lebt, als einen Ausflügler anzusehen, und nun hatte ich mir das allgemeine Wohlwollen in einem Maße gesichert, daß es auch Onkel nach seiner Rückkehr angenehm ins Ohr klingen mußte. Wenn ich ihm einen munter auf seinem Rasen herumhüpfenden Lord Nutbeam präsentieren konnte, würde er davon absehen, mir einen scheelen altväterischen Blick zuzuwerfen, sooft ich modernere Behandlungsmethoden vorschlug, und auch schmerzlos auf der Stelle mit meinem Geld herausrücken.
    «Ich bin wirklich froh, meinen Schwager wieder in seinen eigenen vier Wänden zu sehen, Doktor», bemerkte Amanda Nutbeam. «Ich glaube, nur hier wissen wir seine Interessen vollauf zu wahren.»
    «Das habe ich bereits bemerkt», sagte ich. «Und jetzt ein paar Wochen lang Ruhe, Erholung und nahrhaftes Essen, und Seine Gnaden wird bald einen Schottischen tanzen können, wenn er dazu Lust hat.»
    Aber ich hätte schon seit langem wissen müssen, was für unheilvolle Folgen es hat, wenn man sich sowohl auf der Rennbahn wie in der Therapeutik auf etwas Todsicheres verläßt.
    Aus irgendeinem Grund wollte sich Lord Nutbeam nicht erholen. Ich hatte mir vorgestellt, er würde sich, sobald er einmal daheim war, einer netten langen Lektüre ergeben, aber stattdessen saß er da und starrte aus dem Fenster, während die Bouillontassen neben ihm auskühlten. Manchmal griff er nach der «Anatomie der

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