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Doktor im Glück

Doktor im Glück

Titel: Doktor im Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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    «Hoffentlich haben Sie nichts dagegen, Sir, diesen langen Weg zurückzulegen?» begann ich. Mir war zumute, als hätte ich Rembrandt kommen lassen, um das Vorzimmer auszumalen.
    «Was soll ich dagegen haben, Junge? Es gehört zu den Pflichten von Ärzten, Chirurgen und Feuerwehrmännern, ihre Dienste einzusetzen, wo und wann immer sie benötigt werden. Außerdem ist es äußerst erfreulich, London an einem Sommermorgen den Rücken zu kehren, und ich werde ja ganz nett dafür bezahlt. Seien Sie nicht so verdammt bescheiden, Grimsdyke!» Er bohrte mir seinen Spazierstock in die Magengegend. «Ein Arzt darf nur im Hinblick auf seine eigenen Fähigkeiten bescheiden sein. Ausgezeichnete Rosen sieht man da. Apricot Queens, glaube ich? Welche Sorte Strohmist verwenden Sie?»
    Letztere Frage war an den Stationsvorsteher gerichtet. Greater Wotton war einer jener Bahnknotenpunkte, die als Übungsgelände für Landschaftsgärtnerei betrachtet werden, wobei es infolge eintreffender Züge gelegentlich zu Störungen kommt. Sir Lancelot ignorierte mich während einer zehn Minuten dauernden tiefschürfenden Diskussion über die Vorzüge von Pferde- beziehungsweise Kuhdünger völlig. Aber eigentlich ist gerade diese Umstellung für seinen Genius bezeichnend. Die meisten Chirurgen können nur über ihre Autos reden; Sir Lancelot hingegen hat wohlfundierte Ansichten über alles, was zwischen Kernphysik und Kerbtieren liegt.
    «Ich soll offenbar in dem da fahren», sagte er, auf meinen Wagen deutend. «Darf ich einen Bissen zu mir nehmen, bevor ich den Patienten aufsuche?»
    «Ich habe für eine bescheidene Mahlzeit Sorge getragen, Sir.»
    Dessen eingedenk, daß hoher Blutzucker zu geistiger Trägheit verleitet, hatte ich beschlossen, dem alten Knaben einen famosen Lunch zu versetzen, bevor ich auf das Geschäftliche überging.
    «Ich trinke mittags selten Wein», bemerkte Sir Lancelot später, durch Lammbraten und ein Glas von Onkels Château Lafite in weiche Stimmung versetzt, «aber ich muß sagen, Dr. Rudolph Grimsdyke hat einen erlesenen Geschmack.»
    Ich stimmte ihm bei, obgleich mich der Anblick des Kellers, dessen Bestand unerklärlicherweise auf wenige Flaschen zusammengeschmolzen war, einigermaßen alarmiert hatte.
    «Die paar Stellvertretungen, die ich hatte, waren alle im East End Londons, wo damals die Ärzte ebenso verhungert waren wie die Patienten.» Sir Lancelot blickte durch das Fenster auf die blühenden Bäume, in denen eben die Kuckucke ihr Konzert anstimmten. «Er scheint sich da ein sehr angenehmes Fleckchen Erde gefunden zu haben — sowohl vom botanischen wie vom ornithologischen, ja sogar vom meteorologischen Gesichtspunkt aus.»
    «Aber nicht vom anthropologischen, Sir», sagte ich prompt, da ich es an der Zeit fand, die Nutbeams ins Gespräch zu bringen.
    «Dem Essayisten Hazlitt zufolge», bemerkte Sir Lancelot mit einem zustimmenden Nicken, «hassen auf dem Lande alle Leute einander. Aber seien Sie nun so freundlich, die Familiengeschichte Ihres Patienten zu rekapitulieren. Am Telephon waren Sie ja nicht besonders ausführlich.»
    Eine Stunde später waren wir in Nutbeam Hall.
    Ich glaube, Honorable Nutbeam und sein trautes Weib waren recht verblüfft, als sie einem Mann in Gehrock und steifem Kragen gegenüberstanden, der sich umblickte, als wäre er vom zuständigen Sanitätsbeamten geschickt, um den Wohnsitz aus gesundheitswidrigen Gründen zu evakuieren.
    «Wir sind hocherfreut, Sir Lancelot», begrüßte ihn Amanda Nutbeam mit geziertem Lächeln; natürlich hielt sie alle Ärzte für richtig, die lange Titel hatten. «Wie bin ich froh, daß Sie unserer Einladung folgten, Seiner Gnaden Fall zu übernehmen.»
    Sir Lancelot sah sie an, als wäre sie eine Hilfsschwester, die eben mitten in seiner wöchentlichen Runde eine Leibschüssel hatte fallen lassen.
    «Madame, ich habe nicht die klinische Verantwortung für Lord Nutbeam auf mich genommen. Sein ärztlicher Betreuer bleibt Dr. Gaston Grimsdyke, auf dessen Einladung ich nun hier stehe.»
    «Oh, natürlich, Sir Lancelot —»
    «Dies entspricht durchaus den ärztlichen Gepflogenheiten.»
    Sir Lancelots Bemerkungen hoben meine Lebensgeister unendlich. Trotz unseren Differenzen in vergangenen Tagen bot mir Sir Lancelot jetzt nicht nur einen Ölzweig, sondern einen ganzen Ölhain an. Doch ich hätte wissen müssen, daß ein Bursche seiner Sorte bis aufs Skalpell für mich einstehen würde, nun, da ich qualifiziert und einer der Seinen

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