Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doktor im Glück

Doktor im Glück

Titel: Doktor im Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
Vom Netzwerk:
Melancholie», aber sehr schien sie ihn nicht zu fesseln. Manchmal raffte er sich auch zum Klavierspielen auf, doch mehr als ein paar Takte der Valse Triste brachte er nicht zustande. Um ihn aufzuheitern, rollte ich ihn im Garten umher, wobei ich ihm Witze erzählte, deren Pointe er nie verstand. «Ach, armer Yorick!» war das Äußerste, was ich ihm entlockte.
    Seine Gnaden wurde schwächer und schwächer, während alles rundum im Sonnenschein wild in Saft schoß. Schon nach kurzer Zeit begann mich sein Zustand zu alarmieren. Die moderne Medizin ist ja schön und gut mit ihren Antibiotika, Atmungsapparaten und so weiter, aber sobald sich einer entschlossen hat, nicht mehr weiterleben zu wollen, sind wir nicht besser ausgerüstet als die Medizinmänner in Zentralafrika. Und meine Probleme wurden durch die anderen Nutbeams nicht erleichtert, die mich nun, da die Erregung abgeklungen war, so behandelten, als sei ich der Mann, der das Ablaufrohr zu reparieren hatte. Ganz anders als Seine Gnaden, waren sie entsetzliche Snobs — vor allem die Herrin des Hauses, von der übrigens jedermann im Dorfe wußte, daß sie dereinst Percy Nutbeams Partnerin bei einem Rasthaus-Abenteuer gewesen war.
    «Es wäre angebracht, wenn Sie Ihre tägliche Visite zu einer früheren Stunde absolvieren könnten», sagte sie, als ich eines Abends nach erschöpfender Schwerarbeit in Schweineställen nach Nutbeam Hall gewankt kam. «Wir erwarten jede Minute Lord und Lady Farnborough zum Diner, und ich würde es verständlicherweise begrüßen, wenn meine Gäste in der Halle nicht dem Arzt gegenüberzutreten haben. Vielleicht haben Sie auch die Güte, Ihre Schuhe zu wechseln, bevor Sie zu uns kommen, Dr. Grimsdyke. Ich verstehe zwar, daß Sie es nicht vermeiden können, untertags Bauernhöfe zu betreten, aber — »
    Ich muß gestehen, ihre Haltung verstimmte mich höchlichst, um so mehr, als ich annahm, sie würde einen solchen Ton niemals meinem Onkel gegenüber angeschlagen haben, schon wegen seiner scheelen altväterischen Blicke nicht. Dann verweigerte ein paar Tage später Lord Nutbeam die Nahrungsaufnahme und begann auszusehen wie Sokrates angesichts des Schierlingsbechers.
    «Wir brennen alle danach, Sie wieder zu einem normalen Leben zurückkehren zu sehen», sagte ich, zuversichtlich ein Rezept für ein neues Tonikum ausschreibend. «Jetzt bekommen Sie etwas, das Sie wie ein Lämmlein auf der Weide herumspringen machen wird.»
    «Danke, Doktor. Sie sind sehr freundlich. Es ist ja jedermann sehr, sehr freundlich. Ganz besonders natürlich mein lieber Bruder und seine Frau.» Apathisch wandte er ein paar Seiten von Gibbons «Untergang des Römischen Reiches» um. «Aber ich fürchte, mein Unfall hat mehr Folgen, als ich annahm. Seit vielen Jahren bin ich, wie Sie wissen, wegen meiner angegriffenen Gesundheit nicht aus Nutbeam Hall hinausgekommen. Das Zusammentreffen mit so vielen Leuten im Spital hat sich irgendwie störend ausgewirkt. Zweifellos kennen Sie jene Zeilen aus Grays —»
    Aus dem Gefühl heraus, daß Kirchhöfe jetzt am wenigsten angebracht seien, unterbrach ich ihn mit der Geschichte vom Papagei. Aber ich glaube nicht, daß er sie erfaßte.
    Ich ließ ihn in der Bibliothek zurück und überlegte, ob ich nicht eine Familienversammlung einberufen und gestehen sollte, daß die Wiederherstellung des Alten nicht programmgemäß verlief. Aber in der Halle angekommen, hielt mich Percy Nutbeam selbst zurück.
    «Könnten Sie etwas Zeit für einen Whisky mit Soda erübrigen, Doktor?»
    Da meine ärztlichen Pflichten für diesen Tag bereits erledigt waren, nahm ich an.
    «Ich mache mir große Sorgen um den Zustand meines Bruders», erklärte er nach kurzem Plaudern über Wetter und Ernte.
    «Ich auch», erwiderte ich.
    «Der Fall unserer Tante steht mir so deutlich vor Augen. Ihr Kollaps setzte ganz plötzlich ein — als hätte man einen Luftballon angestochen. Es besteht doch nicht die Gefahr des — äh — »
    Ich nickte. «Ich fürchte, sie besteht.»
    Der arme Kerl sah so bestürzt aus, daß ich überzeugt war, ihn die ganze Zeit falsch beurteilt zu haben.
    «Wieviel Zeit würden Sie ihm also noch geben, Doktor—?»
    «Es könnte eine Angelegenheit von nur ein bis zwei Wochen sein», antwortete ich niedergeschlagen.
    «Du lieber Himmel! Doch nicht vor dem achtundzwanzigsten Mai?»
    Ich sah verdutzt drein. Hatten sie am Ende ein Picknick oder etwas Ähnliches für diesen Tag

Weitere Kostenlose Bücher