Doktor im Glück
angesetzt?
«Es handelt sich da um eine sehr delikate Sache, Doktor.» Er goß sich ein zweites Glas mit Whisky voll. «Aber ich will aufrichtig zu Ihnen sein. Sie erinnern sich doch an Sir Kenneth Cowberry?»
«Ich glaube nicht, das Vergnügen gehabt zu haben —»
«Er verließ gerade das Haus, als Sie in der Unfallnacht hierher zurückkehrten. Er ist der Seniorchef von Hoskins, Harrison, Cowberry und Blackthorn. Die Vermögensverwalter meines Bruders, wissen Sie. Ich dachte, es sei am besten, ihn gleich bei der Hand zu haben, im Falle gewisser Arrangements, die mein Bruder vielleicht noch vornehmen wollte —»
«Ich verstehe», sagte ich.
«Lord Nutbeam möchte selbstverständlich sein gesamtes Vermögen meiner Frau und mir hinterlassen. Schließlich haben wir unser ganzes Leben seinem Wohlergehen geopfert.»
«Ich verstehe.»
«Doch erst an ebendiesem Abend erfuhren wir — mein Bruder ist in allen Geldangelegenheiten merkwürdig verschlossen —, daß er in der Tat bereits seinen Besitz in Form einer Schenkungsurkunde mir vermacht hatte. Um — äh — die Erbschaftssteuer zu umgehen. Sie werden wohl schon von ähnlichen Fällen gehört haben, Doktor? Doch laut den Statuten des Finanzministeriums, Abteilung für Inlandseinkünfte, muß mein Bruder noch fünf Jahre nach Unterzeichnung des betreffenden Dokuments am Leben sein, sonst ist es ungültig. Und diese fünf Jahre enden um Mitternacht des achtundzwanzigsten Mai dieses Jahres. Wenn Sie ihn also bis zu diesem Moment am Leben erhalten können, Doktor — will sagen, wir hoffen ja und bauen darauf, daß er noch viele Jahre glücklich unter uns weilt —, aber Sie verstehen die Situation...?»
Ich hatte schon bisher keine sehr hohe Meinung von diesem tonnenförmigen Lord und seiner Lady Macbeth gehabt. Aber nun meinte ich, es geschähe ihm verdammt recht, wenn ihnen die Regierung das Ganze wegschnappte, um, unter anderem, mein Gehalt zu erhöhen.
«Ich verstehe die Situation nur zu gut», erwiderte ich und wünschte, ich könnte einen von meines Onkels Blicken produzieren.
Ich hatte den alten Nutbeam sehr ins Herz geschlossen und die feste Absicht, ihn für sein gerüttelt Maß von vollen siebzig Jahren am Leben zu erhalten. Doch wie die Dinge jetzt standen, überstiegen sie meine bescheidenen ärztlichen Erfahrungen, und hier draußen auf dem Land stand mir keiner meiner Kameraden mit Rat und Tat zur Seite. Ich wünschte, mein Onkel hätte es satt, am Strande der Montego Bay herumzusitzen, und kehrte zurück. Ja, ich wünschte sogar, daß Miles am Wochenende hier aufkreuzte. Während ich noch mit mir rang, was ich sagen sollte, hatte ich abermals eine meiner so nützlichen Inspirationen.
«Ich würde es für das klügste halten», erklärte ich, «noch die Meinung eines anderen anzuhören. Es könnte ja sein, daß ich irgend etwas übersehen habe. Schließlich können sich auch Ärzte irren. Genauso wie Vermögensverwalter.»
«So viele Meinungen Sie wünschen, Dr. Grimsdyke.»
«Da gibt es in der Harley Street einen Mann, der genau der Richtige für einen Fall dieses Typs ist. Allerdings dürften sich seine Privathonorare recht hoch belaufen.»
«Dies spielt nicht die geringste Rolle, versichere ich Ihnen.»
«Und außerdem wird er natürlich eine Guinea pro Meile für die Visitenfahrt berechnen.»
Percy Nutbeam sah leicht bestürzt aus, als er im Geiste arithmetisch tätig war, aber er gab seine Zustimmung mit den Worten: «Nichts ist mir zu teuer, wenn das Leben meines Bruders auf dem Spiel steht.»
«Zuzüglich Reisekosten erster Klasse und Verköstigung, selbstverständlich. Er ist nicht spezialisierter Chirurg, aber ich gebe Ihnen mein Wort, daß er bezüglich Diagnose die schärfste Nase von ganz London hat. Sein Name ist Sir Lancelot Spratt.»
Zehntes Kapitel
«Köstliche Luft hier», erklärte Sir Lancelot.
Ich war nach Greater Wotton hinübergefahren, um ihn abzuholen, wobei mir meine Nerven einigermaßen zu schaffen machten. In meiner Studienzeit am St. Swithin gingen Sir Lancelots und meine Meinungen in allem auseinander, angefangen von der Art, wie ich Appendicitis behandelte, bis zur Art, wie ich die Schwestern behandelte, und am Tag, da ich ihm stolz meine Qualifikation mitteilte, hatte er die abschließende Bemerkung gemacht, nun würde der Erzbischof von Canterbury voraussichtlich die Litanei um einen Zusatz erweitern müssen.
Ich bereitete ihm einen Empfang, als wäre eine Hoheit eingetroffen, um die Mastviehschau zu
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