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Doktor Pascal - 20

Doktor Pascal - 20

Titel: Doktor Pascal - 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Wertpapiere nennen.«
    In ihrem Jammer mußte sie unwillkürlich lächeln. Dies war das Zeichen ihrer befriedigten Leidenschaft, der sie lange und beharrlich gefrönt hatte; sie dachte an ihre vierhundert Francs Lohn, die sie seit dreißig Jahren gespart, angelegt und kaum angetastet hatte und die schließlich durch die Anhäufung der Zinsen zu der ungeheuren Summe von etwa zwanzigtausend Francs angewachsen waren. Und dieser Schatz war unberührt, gediegen, gesondert angelegt, an einem sicheren Ort, den niemand kannte. Sie strahlte vor Wohlbehagen, doch vermied sie es, sich noch weiter darüber auszulassen.
    Pascal widersprach.
    »Ach was! Wer sagt Euch denn, daß unser ganzes Geld verloren ist! Herr Grandguillot besaß persönliches Vermögen; ich denke, er wird sein Haus und seine Grundstücke nicht auch mitgenommen haben. Wir werden sehen, die Sache wird sich schon aufklären, ich kann nicht glauben, daß er ein einfacher Dieb sein soll … Das einzig Verdrießliche dabei ist, daß wir werden warten müssen.«
    Er sagte dies alles, um Clotilde zu beruhigen, die sichtlich immer besorgter wurde. Sie blickte ihn an, sie blickte auf die Souleiade ringsum, nur erfüllt von dem Gedanken an sein Glück, in dem glühenden Verlangen, allezeit hier zu leben wie bisher, ihn in dieser freundlichen Einsamkeit immer zu lieben. Und er selber hatte in dem Wunsch, sie zu beruhigen, seine schöne Sorglosigkeit wiedergewonnen, denn er hatte ja niemals um des Geldes willen gelebt und vermochte sich nicht vorzustellen, daß es einem fehlen und daß man darunter leiden könnte.
    »Aber wir haben ja noch Geld!« rief er schließlich. »Was erzählt sie da bloß, die Martine, daß wir nicht einen Sou mehr haben und verhungern müssen!«
    Und fröhlich stand er auf und zwang die beiden, ihm zu folgen.
    »Kommt, so kommt doch! Ich zeige euch das Geld! Und ich werde Martine welches geben, damit sie uns heute ein gutes Abendessen macht.«
    Oben in seinem Zimmer ließ er vor ihnen triumphierend die Klappe des Sekretärs herunter. Fast sechzehn Jahre lang hatte er die Geldscheine und die Goldstücke in ein Schubfach geworfen, die ihm seine letzten Patienten brachten, ohne daß er jemals etwas forderte. Und er hatte auch niemals genau den Betrag seines kleinen Schatzes gekannt, sondern nach Belieben davon genommen für seine persönlichen Bedürfnisse, seine Versuche, seine Almosen, seine Geschenke. Seit einigen Monaten stattete er dem Sekretär häufige und ernsthafte Besuche ab. Doch er war nach Jahren selbstverständlicher Mäßigkeit, in denen er fast gar keine Ausgaben gehabt hatte, so sehr daran gewöhnt, die benötigten Summen dort zu finden, daß er seine Ersparnisse schließlich für unerschöpflich hielt.
    Und so lachte er vor Behagen.
    »Ihr werdet schon sehen! Ihr werdet schon sehen!«
    Und er war ganz bestürzt, als er nach fieberhaftem Wühlen in einem Haufen von Notizen und Rechnungen nur eine Summe von sechshundertfünfzehn Francs zusammenbringen konnte, zwei Hundertfrancsscheine, vierhundert Francs in Gold und fünfzehn Francs in kleiner Münze. Verwundert schüttelte er die anderen Papiere aus und fuhr mit den Fingern in alle Ecken des Schubfachs.
    »Aber das ist doch nicht möglich! Es ist doch immer welches dagewesen, neulich erst war noch ein ganzer Haufen da! Offenbar haben mich all diese alten Rechnungen getäuscht. Ich schwöre euch, daß ich noch in der vergangenen Woche viel Geld gesehen und in Händen gehabt habe.«
    Er war von so erheiternder Gutgläubigkeit, so kindlich in seiner aufrichtigen Verwunderung, daß Clotilde nicht umhinkonnte zu lachen. Ach, der arme Meister, was für ein erbärmlicher Geschäftsmann war er doch! Als sie dann Martines böses Gesicht bemerkte, ihre völlige Verzweiflung über dies bißchen Geld, von dem sie jetzt alle drei leben sollten, wurde sie von schmerzlicher Rührung ergriffen, ihre Augen wurden feucht, und sie murmelte:
    »Mein Gott! Du hast alles für mich ausgegeben, ich bin das Verderben, die einzige Ursache, daß wir nichts mehr haben!«
    Tatsächlich hatte Pascal vergessen, daß er soviel Geld für die Geschenke genommen hatte. Deshalb war es also verschwunden, und als ihm das klar wurde, war er beruhigt. Und als Clotilde in ihrem Schmerz davon sprach, daß sie alles den Kaufleuten zurückgeben wollte, wurde er ärgerlich.
    »Zurückgeben, was ich dir geschenkt habe? Damit würdest du ja ein Stück von meinem Herzen fortgeben! Nein, nein, und wenn ich Hungers sterben müßte,

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