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Doktor Pascal - 20

Doktor Pascal - 20

Titel: Doktor Pascal - 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Zustimmung dazu geben. Er war ebenso untröstlich wie die beiden Frauen, bekannte sich zu seiner Schuld und sagte, er sei eben unverbesserlich und man hätte ihm alles Geld wegnehmen müssen. Er lief zum Sekretär, holte die hundert Francs, die ihm noch blieben, und zwang Martine, sie an sich zu nehmen.
    »Ich sage Euch doch, daß ich keinen Sou mehr haben will! Ich würde ihn nur wieder ausgeben … Da, Martine, Ihr seid die einzig Vernünftige! Ich bin fest überzeugt, Ihr werdet mit dem Geld schon so lange reichen, bis unsere Angelegenheiten wieder in Ordnung sind … Und du, Liebling, behalte das, bereite mir keinen Schmerz. Gib mir einen Kuß und geh dich anziehen.«
    Es war nicht mehr die Rede von dieser Katastrophe. Aber Clotilde hatte das Halsband unter ihrem Kleid umbehalten; und es war ein bezauberndes Geheimnis, dieses so feine, so hübsche kleine Schmuckstück, von dem niemand etwas wußte und das nur sie allein auf ihrer Haut fühlte. Zuweilen lächelte sie in ihrem vertrauten Miteinander Pascal zu und zog die Perlen rasch aus ihrem Mieder hervor, um sie ihm wortlos zu zeigen; und mit der gleichen flinken Bewegung verbarg sie sie wieder, köstlich erregt, an ihrem warmen Hals. Es war ihrer beider Tollheit, die sie ihm mit verwirrter Dankbarkeit, mit immer gleich lebhafter, strahlender Freude ins Gedächtnis rief. Niemals mehr legte sie die Perlen ab.
    Nun begann ein Leben der Einschränkung, doch ein trotz allem süßes Leben. Martine hatte eine genaue Aufstellung der Bestände des Hauses gemacht, die verheerend ausgefallen war. Nur der Vorrat an Kartoffeln schien einigermaßen nennenswert. Zu allem Unglück ging der Ölkrug zur Neige, und auch das letzte Weinfaß wurde leer. Die Souleiade, die keine Weinstöcke und Ölbäume mehr hatte, brachte fast nur noch einige Gemüse und etwas Obst hervor, Birnen, die nicht reif waren, Spaliertrauben, die ihr einziges Festmahl sein würden. Immerhin mußte man täglich Brot und Fleisch kaufen. Daher setzte das alte Dienstmädchen vom ersten Tage an für Pascal und Clotilde Rationen fest, ließ die früheren Leckereien, die Süßspeisen und das Backwerk, fort und beschränkte die Gerichte auf eine bescheidene Portion. Sie hatte ihre ganze einstige Autorität wiedergewonnen, sie behandelte die beiden wie Kinder, die sie nicht einmal mehr nach ihren Wünschen oder nach ihrem Geschmack befragte. Sie war es, die die Speisenfolge bestimmte, die besser als die beiden selber wußte, was sie brauchten; dabei war sie im übrigen mütterlich, umhegte sie mit unendlicher Sorgfalt und brachte das Wunder zustande, ihnen für ihr bißchen Geld noch ein leidlich angenehmes Leben zu bereiten, und wenn sie sie dabei zuweilen schalt, so nur zu ihrem Besten, wie man Kinder schilt, die ihre Suppe nicht essen wollen. Und es schien, als ob diese sonderbare Mütterlichkeit, diese äußerste Selbstaufopferung, dieser vorgetäuschte Frieden, mit dem sie ihre Lieblinge umgab, auch sie selber ein wenig befriedigte und sie der dumpfen Verzweiflung entriß, in die sie verfallen war. Seitdem sie so über die beiden wachte, hatte sie wieder ihr kleines weißes Nonnengesicht, ihre aschfarbenen ruhigen Augen bekommen. Wenn es ihr nach den ewigen Kartoffeln und dem kleinen Kotelett zu vier Sous, das zwischen dem Gemüse kaum zu sehen war, an manchen Tagen gelang, ihnen Eierkuchen aufzutischen, triumphierte sie und lachte wie die beiden.
    Pascal und Clotilde fanden alles sehr gut, was sie nicht hinderte zu scherzen, wenn Martine nicht da war. Die alten Spötteleien über ihren Geiz begannen wieder; sie behaupteten, sie zähle die Pfefferkörner ab, soundso viele Körner für jedes Gericht, um daran zu sparen. Wenn es den Kartoffeln allzusehr an Öl fehlte, wenn die Koteletts zu einem einzigen Bissen zusammenschrumpften, so wechselten sie einen raschen Blick und warteten, bis Martine hinausgegangen war, um ihre Heiterkeit in ihrer Serviette zu ersticken. Sie hatten an allem ihren Spaß, sie lachten über ihre Armut.
    Am Ende des ersten Monats dachte Pascal an Martines Lohn. Für gewöhnlich entnahm sie selber ihre vierzig Francs der gemeinschaftlichen Kasse, die sie führte.
    »Meine arme Gute«, sagte er eines Abends zu ihr. »Wie werdet Ihr es denn nun mit Eurem Lohn machen, da doch kein Geld mehr da ist?«
    Sie schaute einen Augenblick bestürzt zu Boden.
    »Nun ja, Herr Doktor, da muß ich eben warten!«
    Doch er sah, daß sie nicht alles sagte, daß sie an ein Übereinkommen dachte und nicht

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