Doktor Pascal - 20
glücklich mache.«
Er hielt sie entzückt umschlungen und flüsterte:
»O ja! Schön! Die Schönste und die Begehrteste! All die armseligen Geschmeide, mit denen ich dich schmückte, das Gold, die Edelsteine, sind nicht soviel wert wie das kleinste Stückchen deiner seidenweichen Haut. Ein Fingernagel, ein Haar von dir sind unschätzbare Reichtümer. Ich werde andächtig deine Wimpern küssen, eine nach der anderen.«
»Und hör gut zu, Meister: ich freue mich, daß du alt bist und ich jung, weil das Geschenk meines Körpers dich um so mehr entzückt. Wärest du so jung wie ich, würde das Geschenk meines Körpers dir weniger Lust machen, und ich wäre weniger glücklich … Nur um deinetwillen bin ich stolz auf meine Jugend und auf meine Schönheit; nur weil ich sie dir schenken kann, freue ich mich ihrer.«
Ihn befiel ein heftiges Zittern, und seine Augen wurden feucht, da er fühlte, daß sie ganz die Seine war, so anbetungswürdig und so köstlich.
»Du machst mich zum reichsten, zum mächtigsten Herrn, du überschüttest mich mit allen Gütern, du gießest die himmlischste Wonne über mich aus, die das Herz eines Mannes erfüllen kann.«
Und sie verschenkte sich noch inniger, sie gab sich hin mit allen Fasern ihres Herzens.
»So nimm mich doch, Meister, daß ich dahinschwinde und ganz in Dir aufgehe … Nimm meine Jugend, nimm sie ganz, mit einem Mal, in einem einzigen Kuß, und trinke sie auf einen Zug, schöpfe sie aus, daß nichts davon zurückbleibt als ein wenig Honig auf Deinen Lippen. Du machst mich so glücklich, und ich bin Dir dankbar dafür … Meister, nimm meine Lippen, denn sie sind frisch, nimm meinen Atem, denn er ist rein, nimm meinen Hals, denn er ist weich für den Mund, der ihn küßt, nimm meine Hände, nimm meine Füße, nimm meinen ganzen Körper, der eine kaum erblühte Knospe ist, ein zarter Atlas, ein Duft, an dem Du Dich berauschst … Nimm mich, Meister, auf daß ich ein lebender Blütenstrauß werde und Du mich atmest, eine junge köstliche Frucht, und Du mich verkostest, eine Zärtlichkeit ohne Ende, und Du Dich in mir badest … Ich bin Dein Werk, die Blume, die zu Deinen Füßen sprießt, Dir zu gefallen, das Wasser, das dahinfließt, Dich zu erfrischen, der Lebenssaft, der aufschäumt, Dir die Jugend zurückzugeben. Ich bin nichts, Meister, wenn ich nicht Dein bin!«
Sie gab sich hin, und er nahm sie. In diesem Augenblick fiel der Schein des Mondes auf Clotilde in ihrer erhabenen Nacktheit. Sie erschien ihm wie die verkörperte Schönheit des Weibes in ihrem unsterblichen Frühling. Noch nie hatte er sie so jung, so weiß, so göttlich gesehen. Und er dankte ihr für das Geschenk ihres Körpers, als hätte sie ihm alle Schätze der Erde gegeben. Kein Geschenk kommt dem des jungen Weibes gleich, das sich hingibt und den Lebensstrom schenkt, vielleicht das Kind. Sie dachten an das Kind, und dieser Gedanke vergrößerte ihr Glück bei diesem fürstlichen Festmahl der Jugend, das sie ihm auftrug und um das Könige sie beneidet hätten.
Kapitel XI
Aber schon in der folgenden Nacht kehrte die sorgenvolle Schlaflosigkeit zurück. Weder Pascal noch Clotilde sprachen zueinander von ihrer Not; im Dunkel des traurigen Zimmers lagen sie stundenlang nebeneinander und stellten sich schlafend, während sie beide über ihre sich verschlimmernde Lage nachdachten. Jeder vergaß sein eigenes Elend und zitterte um des anderen willen. Man hatte Schulden machen müssen. Martine kaufte Brot, Wein und etwas Fleisch auf Kredit, von Scham erfüllt, denn sie mußte lügen und dabei sehr vorsichtig zu Werke gehen, weil jedermann vom Ruin des Hauses wußte. Dem Doktor war wohl der Gedanke gekommen, die Souleiade mit Hypotheken zu belasten; allein das war die letzte Hilfsquelle, er hatte nur noch diesen Besitz, der auf etwa zwanzigtausend Francs veranschlagt war und aus dem er vielleicht nicht einmal fünfzehntausend herausschlagen würde, wenn er ihn verkaufte. Danach käme die bitterste Not, sie lägen auf der Straße und hätten nicht einmal ein Dach über dem Kopf. Daher flehte Clotilde ihn an, zu warten, sich nicht auf ein unwiderrufliches Geschäft einzulassen, solange die Dinge nicht ganz und gar hoffnungslos wären.
Drei oder vier Tage vergingen. Es wurde September, und das Wetter verschlechterte sich unglücklicherweise: furchtbare Unwetter verwüsteten die Gegend; eine Mauer der Souleiade wurde umgerissen und ließ sich nicht mehr aufrichten, so daß eine klaffende Lücke
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