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Doktor Pascal - 20

Doktor Pascal - 20

Titel: Doktor Pascal - 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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jedes Blatt trug einen Namen, enthielt in feiner Schrift eine Biographie, einen Vererbungsfall.
    Die Freude des Wissenschaftlers hatte den Doktor ergriffen angesichts dieses Werkes von zwanzig Jahren, in dem man so klar und so vollständig die von ihm aufgestellten Gesetze der Vererbung angewandt sehen konnte.
    »Schau nur her, Mädchen! Du weißt genug davon, du hast genug von meinen Manuskripten abgeschrieben, um zu begreifen … Ist es nicht schön, ein solches Ganzes, ein so endgültiges und vollständiges Dokument, in dem es keine Lücke gibt? Man könnte es als ein Studierzimmerexperiment ansehen, als eine an der Wandtafel gestellte und gelöste Aufgabe … Siehst du, hier unten, das ist der Stamm, der gemeinsame Ursprung, Tante Dide. Davon gehen drei Äste aus, der legitime, Pierre Rougon, und die beiden illegitimen, Ursule Macquart und Antoine Macquart. Dann wachsen neue Äste empor und verzweigen sich: auf der einen Seite Maxime, Clotilde und Victor, die drei Kinder von Saccard, und Angélique, die Tochter von Sidonie Rougon; auf der anderen Seite Pauline, die Tochter von Lisa Macquart, und Claude, Jacques, Etienne und Anna, die vier Kinder von Gervaise, ihrer Schwester. Jean, der Bruder der beiden, steht dort am Ende. Und hier in der Mitte siehst du den Knoten, wie ich es nenne, hier vereinigen sich der legitime Trieb und der Bastardtrieb in Marthe Rougon und ihrem Vetter François Mouret und bringen drei neue Zweige hervor, Octave, Serge und Désirée Mouret. Außerdem gibt es da noch die Nachkommen von Ursule und dem Hutmacher Mouret: Silvère, der so tragisch ums Leben kam, wie du weißt, Hélène und ihre Tochter Jeanne. Dort ganz oben schließlich sind die letzten Reiser, der Sohn deines Bruders Maxime, unser armer Charles, und die beiden früh verstorbenen Kinder JacquesLouis, der Sohn von Claude Lantier, und Louiset, der Sohn von Anna Coupeau … Im ganzen fünf Generationen, ein menschlicher Baum, der schon fünfmal, in fünf Lenzen der Menschheit Triebe hervorgebracht hat, durchströmt von den Säften des immerwährenden Lebens!«
    Er wurde lebhafter; wie auf einer anatomischen Tafel, zeigte er ihr mit dem Finger auf dem vergilbten alten Papier die einzelnen Fälle.
    »Und ich wiederhole dir, hier findest du alles … Sieh mal hier, in der direkten Vererbung, die Elektionen: die der Mutter bei Silvère, Lisa, Désirée, Jacques, Louiset, bei dir selbst; die des Vaters bei Sidonie, Frangois, Gervaise, Octave, JacquesLouis. Dann sind da die drei Fälle von Mischung der Merkmale: durch Verschweißung bei Ursule, Aristide, Anna, Victor; durch Dissemination bei Maxime, Serge, Etienne; durch Verschmelzung bei Antoine, Eugène, Claude. Ich habe sogar einen sehr bemerkenswerten vierten Fall spezifizieren müssen, die austarierte Mischung bei Pierre und Pauline. Und es entstehen Abweichungen, neben die Elektion der Mutter tritt zum Beispiel oft die physische Ähnlichkeit mit dem Vater, oder das Gegenteil ist der Fall, so wie bei der Mischung die physische oder psychische Dominanz durch den einen oder den anderen Faktor bestimmt wird, je nach den Umständen … Dann ist hier die indirekte Vererbung, bei der die Seitenlinien auftreten: ich habe dafür nur ein wohlbegründetes Beispiel, die auffallende physische Ähnlichkeit Octave Mourets mit seinem Onkel Eugène Rougon. Ich habe ebenfalls nur ein Beispiel für die Vererbung durch Nachwirkung: Anna, die Tochter von Gervaise und Coupeau, hatte vor allem in ihrer Kindheit erstaunliche Ähnlichkeit mit Lantier, dem ersten Geliebten ihrer Mutter, als hätte dieser sie für alle Zeit geschwängert … Sehr viele Beispiele habe ich für die überspringende Vererbung: die drei schönsten sind Marthe, Jeanne und Charles, die Tante Dide ähnlich sehen, wobei die Ähnlichkeit in diesen Fällen eine, zwei und drei Generationen überspringt. Diese Erscheinung ist gewiß außergewöhnlich, denn ich glaube nicht recht an Atavismus; mir scheint, daß die neuen, durch die Ehegatten, durch die Zufälle und die unendliche Verschiedenartigkeit der Mischung hinzugebrachten Elemente sehr rasch die besonderen Merkmale auslöschen, so daß das Individuum auf den allgemeinen Typus zurückgeführt wird … Und es bleibt das Angeborensein, bei Hélène, Jean, Angélique. Das ist die Verbindung, die chemische Verbindung, in der die physischen und psychischen Merkmale der Eltern sich vereinigen, ohne daß sich von ihnen irgend etwas in dem neuen Lebewesen wiederzufinden

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