Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doktor Pascal - 20

Doktor Pascal - 20

Titel: Doktor Pascal - 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
des kommenden Kaiserreiches Paris in alten Stiefeln eroberte, der vom Präsidentenstuhl des Staatsrats zu einem Ministerposten emporstieg, gemacht von seiner Clique, von einer gierigen Anhängerschaft, die ihn stützte und die ihn zernagte. Einen Augenblick lang war er von einer Frau besiegt worden, von der schönen Clorinde, nach der ihn eine törichte Begierde ergriffen hatte; doch er war so wahrhaft stark, verzehrt von einem solchen Verlangen, Herr zu sein, daß er die Macht wiedergewann, indem er sein ganzes bisheriges Leben verleugnete, auf dem Wege zur sieghaften Herrschaft eines Vizekaisers. Aristide Saccards Gier hingegen stürzte sich auf die niedrigen Genüsse, auf das Geld, auf die Frauen, auf den Luxus. Dieser Heißhunger hatte ihn gleich zu Beginn aufs Pflaster geworfen, als die Beute noch warm war, als ein Windstoß hemmungsloser Spekulationen über die Stadt dahinfuhr, sie an allen Ecken und Enden niederriß und wieder aufbaute, als ungeheure Vermögen in sechs Monaten zusammengerafft, durchgebracht und von neuem zusammengerafft wurden. Vom Goldrausch ergriffen, verkaufte er, kaum daß der Leichnam seiner Frau Angèle erkaltet war, seinen Namen, um durch seine Heirat mit Renée die ersten unentbehrlichen hunderttausend Francs zu erlangen; später, im Augenblick einer finanziellen Krise, duldete er die Blutschande und schloß die Augen vor den Liebesbeziehungen zwischen seinem Sohn Maxime und seiner zweiten Frau im funkelnden Glanz des festlichen Paris. Und einige Jahre danach war es abermals Saccard, der die ungeheure Millionenpresse der Banque Universelle in Bewegung setzte; der niemals besiegte Saccard, noch größer geworden, emporgestiegen zur Intelligenz und Bravour eines großen Finanzmannes; Saccard, der die grausame und zivilisatorische Rolle des Geldes wohl begriff, der an der Börse Schlachten schlug, gewann und verlor wie Napoleon bei Austerlitz und Waterloo26 und in den Zusammenbruch eine ganze Welt von bedauernswerten Leuten mit hineinriß; Saccard, der seinen unehelichen Sohn Victor, den Verschwundenen, durch die dunklen Nächte Fliehenden, in die unbekannte Welt des Verbrechens hetzte und der selber unter dem fühllosen Schutz der ungerechten Natur von der anbetungswürdigen Frau Caroline geliebt wurde, zweifellos zum Lohn für sein abscheuliches Leben. Da entsproß eine große unbefleckte Lilie dem verrotteten Boden: Sidonie Rougon, die willfährige Dienerin ihres Bruders Saccard, die Kupplerin mit den hundert zweifelhaften Gewerben, gebar von einem Unbekannten die reine, göttliche Angélique, die kleine Stickerin mit den Feenhänden, die mit dem Gold der Meßgewänder den Traum von ihrem Märchenprinzen stickte, so weltentrückt unter ihren Gefährten, den Heiligen, so wenig für die harte Wirklichkeit geschaffen, daß ihr die Gnade zuteil wurde, an ihrem Hochzeitstag beim ersten Kuß Félicien de Hautecœurs, beim Brausen der Glocken, die vom Glanz ihrer königlichen Hochzeit kündeten, vor Liebe zu sterben. Dann vereinigten sich die beiden Zweige, der legitime und der illegitime: Marthe Rougon heiratete ihren Vetter Frangois Mouret. Es war eine friedliche Ehe, die sich langsam auflöste und in den schlimmsten Katastrophen endete; eine sanfte, traurige Frau wurde von der zur Eroberung einer Stadt geschaffenen gewaltigen Kriegsmaschine erfaßt, ausgenutzt und zerbrochen, und ihre drei Kinder wurden ihr gleichsam entrissen; sie ließ selbst ihr Herz unter der rohen Faust des Abbé Faujas, und die Rougons retteten ein zweites Mal Plassans, während Marthe mit dem Tode rang beim Schein der Feuersbrunst, in der ihr Gatte, rasend vor aufgespeicherter Wut und Rachsucht, mitsamt dem Priester in Flammen aufging. Von den drei Kindern war Octave Mouret der kühne Eroberer, der klare Geist, entschlossen, von den Frauen die Herrschaft über Paris zu fordern; zunächst geriet er mitten hinein in die verderbte Bourgeoisie, ging dort durch eine gräßliche Schule der Gefühle, taumelte von der launenhaften Weigerung der einen Frau in die willenlose Hingabe der anderen, kostete den Ehebruch mit seinen Widrigkeiten bis zum schmutzigen Grunde aus, bewahrte sich aber glücklicherweise seinen Tatendrang und seine Kampfeslust, blieb arbeitsam und befreite sich nach und nach, trotz allem reifer geworden, aus der Hexenküche dieser verfaulten Welt, die man schon krachen hörte. Und der siegreiche Octave Mouret bewirkte eine Revolution im Großhandel, richtete die vorsichtigen kleinen Läden des alten

Weitere Kostenlose Bücher