Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang
hab’s!«
Der Professor und die anderen drehten sich zu ihm um. Bulle saß immer noch am Tisch und stierte in seinen leeren Kakaobecher.
»Was hast du, Bulle?«
»Noch eine Runde Kakao für alle, Petter.«
Petter strahlte. »Mit Vanillepulver?«
»Nicht unbedingt mit Vanillepulver«, sagte Bulle.
»Was redest du da?«, fragte Lise.
»Ich rede von Take-off«, sagte Bulle.
»Un’ ihr seid sicher, dass des klappt?«, fragte Petter, der vornübergebeugt dastand und die Querstange des großen Familiengleiters hielt.
»Nein«, sagte Doktor Proktor, der auf Petters Rücken hing. »Noch können Sie abspringen, wenn Sie wollen.«
»Nix da«, sagte Petter und griff fester um die Stange. »Ich will nach Klæbu!«
»Gut«, sagte Doktor Proktor und hob den Kakaobecher. »Alle bereit?«
»Bereit!«, riefen Lise und Bulle, die sich in den Schlafsack auf der einen Seite geschoben hatten.
»Bereit!«, rief Frau Strobe aus dem Schlafsack auf der anderen Seite.
»Dann runter mit dem Zeug«, sagte Doktor Proktor.
Und damit leerten sie ihre Kakaobecher in einem einzigen, langen Schluck.
»Vier«, sagte Bulle.
»Hm«, sagte Petter anerkennend. »Nich’ übel, dafür, dass es kein Vanillepulver is’. Wie nennt ihr das Pulver noch gleich?«
»Doktor Proktors Pupsonautenpulver«, sagte Doktor Proktor und schmatzte vergnügt. »Der Birnengeschmack gibt den letzten Pfiff, finden Sie nicht?«
»Drei«, sagte Bulle.
»Un’ ihr glaubt wirklich, dass das Pulver uns nach Klæbu bringt?«
»Also …«, sagte Doktor Proktor.
»Zwei«, sagte Bulle. »Eins.«
»Das kitzelt.« Petter lachte und rieb sich den Kugelbauch.
»Null«, sagte Bulle.
Dann wurde alles weiß.
Und als das Echo des Knalls ein paarmal hin und her über den Fluss gerollt und der Schnee wieder zur Erde gerieselt war, sah man nichts mehr auf dem Platz vor der Halle. Nur eine Stange mit einem flatternden Werbebanner, auf dem zu lesen war, dass es hier Süd-Trøndelags größte Hängegleiter-Auswahl gab. Es war wieder still, aber wenn man ganz genau hinhörte, war hoch oben eine begeisterte Stimme zu hören.
»Schneesturm und Eisennägel! Mann! Es gibt nur ein’ Petter! Und der Petter hat’n Pokal verdient!«
Lise hatte die Augen weit aufgerissen. Die Landschaft glitt wie eine Landkarte unter ihnen hindurch. Hier oben war es kälter als auf dem Boden, das merkte sie an ihrer Nasenspitze. Aber in dem Schlafsack war es schön warm.
Und dann diese Stille! Nur das Rauschen des großen roten Flügels war zu hören, das leichte Schnalzen der Schnüre, die sich spannten und wieder lockerten, das Ticken des Höhenmessers, als sie immer höher stiegen, und Bulles leises Schnarchen. Er war neben ihr eingeschlafen.
Zwischendurch sagte Doktor Proktor etwas zu Petter und zeigte auf die Karte, die sie von einer Hallenwand genommen hatten. Nach einer Weile zeigte Petter ihm, wie alles funktionierte, und dann durfte der Professor auch mal lenken.
Weit im Westen sank die Sonne dem Meer entgegen und färbte den Himmel von blau über orange bis rot – und ganz unten grünviolett. Ab und zu glitten sie über ein Haus mit erleuchteten Fenstern oder über eine Straße, an denen sich in der anbrechenden Dämmerung die Lichtpunkte der Straßenlaternen wie Lichtschlangen entlangwanden.
Es war so atemberaubend schön, dass Lise nur noch einen Gedanken denken konnte: Diese Welt war so fantastisch, dass sie es unbedingt schaffen mussten, sie zu retten.
Eine Stunde später war es stockdunkel. Doktor Proktor zeigte auf den Lichterteppich, der aus dem Nichts unter ihnen hervorwuchs.
»Klæbu«, sagte er.
Aber da war Lise auch schon eingeschlafen.
21. Kapitel
Audienz und Morsealphabet
Königliche Hoheit, Bessuch für Euer Gnaden.«
»Was?« Der König blickte vom Kreuzworträtsel in der südtrønderschen Taims auf und sah auf die Uhr. Es war elf Uhr abends. Wer mochte so spät noch kommen? Er sah zu seinem schwedischen Diener Åke hinüber, der vor ihm in der Wohnzimmertür stand. Åke war ein groß gewachsener Mann, der aussah wie mit einem Bleistiftspitzer angespitzt. Er hatte eine spitze Nase, einen spitzen Mund, ein spitzes Kinn und spitze Zähne. Und eine spitze Leck-mich-am-Arsch-Jacke, die hinten zwei lange Spitzen hatte. Nicht zu vergessen seine oft spitze Zunge, mit der er bissige Kommentare über das abgab, was der König tat oder eben nicht. Diese Kommentare machte er auf Schwedisch, sodass der König nicht immer alles verstand. Deswegen fragte der König sich
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