Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang
Sie uns eine Nacht darüber schlafen. Åke, bereite die Prinzessinnenbetten für unsere Gäste vor!«
Åke wippte auf seinen Füßen. »Wir haben nur einfache Pritschen.«
»Was für Dinger?«
»Etagenbetten. Ihr wohnt in einer Berghütte und nicht in einem Schloss, Eure Königliche.«
»Hoheit, Åke.«
»Entschuldigung, was habt Ihr gesagt?«
»Königliche Hoheit … vergiss das nicht. In Ordnung, dann eben Etagenbetten, und Abendessen.« Er drehte sich zu Frau Strobe um. »Ich habe Grillwürstchen, Rosemarie. Aus dem Rema. Supergut und superbillig.«
»Oh, vielen, vielen Dank, Euer Königlicher.«
»He, he«, sagte der König.
»Da wäre noch etwas«, sagte der rothaarige Knirps.
»Ja?«, sagte der König skeptisch. Immer gab es noch etwas . Und in der Regel war dieses Etwas höchst unangenehm.
»Sie müssen uns den Auftrag erteilen, Gregor Galvanius zu retten«, sagte der Junge. »Und das Land, und … ja eigentlich auch die ganze Welt.«
»Muss ich das?«
»Ja, das müssen Sie.«
»Warum?«
»Weil Sie der König sind«, sagte der Junge. »Wenn wir schon sterben müssen, dann möchte ich eigentlich gerne für König und Vaterland sterben. Das ist gut für die Moral. Verstehen Sie?«
Der König dachte nach. »Okay«, sagte er und kratzte sich die rechte Pobacke. »Ich gebe euch hiermit den Auftrag, Gregor Galvanius zu retten. Und das Land. Ja, und den Rest der Welt.«
»Jippijajei!«, schrie der Knirps.
»Vielen, vielen Dank«, sagte das Mädchen und verbeugte sich.
Lise konnte nicht schlafen. Nicht, weil sie etwa zu viele südtrøndersche Grillwürstchen gegessen hätte, und auch nicht, weil sie an ihren Kommandantenpapa und ihre Kommandantenmama oder an Gregor, die Mondchamäleons oder den Weltuntergang dachte. Es lag auch nicht an dem Prusten, Schnarchen und Grunzen, das aus den Betten rings um sie herum kam, sondern an einem anderen Geräusch. Das war nicht der Wind, der im Gestänge des Drachens pfiff, der draußen auf dem Hofplatz stand und den Petter ihnen geschenkt hatte, bevor er ins Zentrum von Klæbu gestürzt war, um Kakao zu trinken und Poker zu spielen. Es war ein anderer Laut. Ein Klicken. Sie hatte keine Ahnung, was es sein konnte, es schien aber irgendwo hier aus dem Haus zu kommen.
»Bulle«, flüsterte sie.
Aber Bulle antwortete nur mit einem pfeifenden Schnarchen. Lise strampelte die Decke zur Seite und schlich durch die Tür auf den Flur. Dort blieb sie stehen und lauschte, während der eiskalte Boden unter ihren Fußsohlen brannte.
Das Geräusch kam aus einem Zimmer am Ende des Flures, dessen Tür nur angelehnt war.
Sie schlich sich dicht heran und warf einen Blick hinein.
Das Erste, was sie sah, war eine Jacke auf einem Stuhlrücken. Es war die Leck-mich-am-Arsch-Jacke von Diener Åke. Auf dem Stuhl saß jemand, der Lise den Rücken zuwandte und der rhythmisch auf einer kleinen Maschine tippte. Lise wusste, was das war. Ein Morseapparat. Der Kommandantenpapa hatte so etwas daheim in Oslo in der Festung Akershus. Solche Maschinen waren während des Krieges genutzt worden, um Nachrichten zu verschicken, ähnlich wie man das heute per SMS machte. Papa hatte ihr sogar das Morsealphabet beigebracht. Drei kurz, drei lang, drei kurz bedeutete zum Beispiel »S. O. S.«. Und »Hallo!« war vier kurz, eins kurz, eins lang, zweimal kurz lang kurz kurz und dreimal lang. Aber wohin verschickte Diener Åke um diese Uhrzeit noch Nachrichten? Lise erstarrte, als sie die Hand von Åke erblickte. Wenn man das überhaupt eine Hand nennen konnte. Die Finger waren unnatürlich lang und ganz und gar mit grauen Haaren bedeckt und die Fingernägel waren schwarz!
Lises Blick richtete sich auf die Lehne des Stuhls und da, in einem Schlitz seiner Leck-mich-am-Arsch-Jacke, sah sie etwas durch die Stäbe der Lehne leuchten. Es war hellrot und wulstig, und obgleich Lise es noch nie zuvor gesehen hatte, wusste sie instinktiv, dass das die Hämorrhoiden waren, von denen Bulle erzählt hatte.
Im gleichen Augenblick verstummte das Klicken. Lise wich blitzschnell von der Tür zurück und hielt den Atem an, während ihr Herz wild pochte. Diener Åke war ein Mondchamäleon! Hatte er sie gehört? Ihre Angst befahl ihr wegzulaufen. Aber der Wille, keine Angst zu haben, sagte ihr, dass er sie dann hören würde. Der Wille gewann. Sie wartete und forderte ihr Herz auf, nicht so laut zu schlagen. Sekunden vergingen, ohne dass etwas geschah. Dann setzte das Morsen wieder ein.
Lise atmete aus, lauschte,
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