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Doktor Proktors Pupspulver

Doktor Proktors Pupspulver

Titel: Doktor Proktors Pupspulver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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akrobatischen Flugkunststücke beobachten, mit denen die Schwalben sich noch schnell ein paar Insekten als Abendessen fingen, bevor es dunkel wurde.
    »Was wollt ihr denn mit dem Geld machen, das wir verdienen werden?«, fragte Lise.
    »Ich kaufe mir eine Uniform, damit ich in der Schulkapelle mitspielen kann«, sagte Bulle.
    »Ich fahre per Motorrad und Beiwagen nach Paris«, sagte Doktor Proktor. »Und du, Lise?«
    »Ich kaufe mir ein Flugzeugticket nach Sarpsborg und besuche Anna«, sagte sie. »Also, falls wir so viel Geld einnehmen.«
    Doktor Proktor lachte. »Wenn nicht, bekommst du mein Drittel. Mit dieser Parisreise hat es keine Eile.«
    »Mein Drittel auch«, sagte Bulle. »Mama kann mir sicher eine Schulkapellenuniform nähen.«
    »Danke«, sagte Lise und bekam vor Freude ganz rote Wangen. Nicht nur, weil sie auf diese Weise sicher genug Geld bekommen würde, um Anna zu besuchen, sondern sie erkannte, dass Doktor Proktor und Bulle so nett zu ihr waren, weil sie sie gern mochten. Lise wurde gern gern gemocht. Aber sie merkte, dass sie von Doktor Proktor und Bulle ganz besonders gern gern gemocht wurde.
    »Was wollen Sie denn in Paris, Professor?«, fragte Bulle, füllte vorsichtig einen Löffel Pulver in ein Tütchen und verschloss es mit einem Stück Klebestreifen.
    »Oh, das ist eine lange Geschichte«, sagte der Doktor und bekam einen verträumten Blick. »Eine lange, lange Geschichte.«
    »Hat sie etwas mit dem Bild zu tun, das im Keller hängt?«, fragte Lise. »Worauf Sie zu sehen sind und diese junge Frau auf dem Motorrad vorm Eiffelturm?«
    »Ja, das hat sie.«
    »Dann erzählen Sie doch.«
    »Oh, da gibt es nicht so viel zu erzählen. Ich hatte eine Liebste dort. Sie hieß Juliette. Wir wollten heiraten.«
    »Erzählen Sie«, flüsterte Lise begeistert. »Weiter, Doktor Proktor.«
    »Ich fürchte, das ist nur eine langweilige alte Geschichte.«
    Aber Lise ließ nicht locker und schließlich gab Doktor Proktor nach und erzählte:
    »Als ich vor vielen, vielen Jahren in Paris Chemie studierte, lernte ich Juliette Margarine kennen. Sie studierte ebenfalls Chemie, und als wir einander das erste Mal sahen, da machte es...äh... peng! Sie war eine braunäugige kleine Schönheit und ich war...naja, ich war jedenfalls um einiges jünger als heute. Und einen gewissen Charme habe ich damals wohl auch gehabt, denn Juliette und ich verliebten uns sofort ineinander. Wir waren so unzertrennlich wie zwei Teilchen mit entgegengesetzter Ladung in einem Atomkern.«
    »Hä?«
    »Entschuldigung. Wie ein Magnet und eine Kühlschranktür.«
    »Aha.«
    »Juliette und ich hatten fest vor, nach dem Studium zu heiraten. Aber es gab ein Problem. Juliettes Vater, Graf Margarine, ein reicher, mächtiger Mann, der in der Universitätsleitung saß, hatte ganz andere Pläne für Juliette. Dass sie einen bettelarmen Norweger ohne einen Tropfen blaues Blut in den Adern heiratete, kam für ihn nicht infrage. Eines Tages ging Juliette zu ihrem Vater, um ihm zu sagen, dass er sie nicht daran hindern könnte, mich zu heiraten, und dann kam sie nicht zurück. Als ich anrief, wurde mir beschieden, Juliette sei krank und könne mit niemandem reden. Schon gar nicht mit mir.
    Am nächsten Tag bekam ich einen Brief von der Universitätsleitung, in dem mir mitgeteilt wurde, dass man mich wegen eines Experiments, bei dem uns ein kleines Malheur unterlaufen war, von der Universität verwiesen hatte. Nun, das mit diesem Experiment war eigentlich keine große Sache gewesen, nur eine Nitroglyzerinmischung, die ich unvorsichtigerweise ein bisschen fest geschüttelt hatte, sodass sie explodierte und...nun ja, einigen Schaden anrichtete. Aber so etwas kam ja andau ernd vor und es war auch schon monatelang her, also war ich sehr überrascht.
    In dieser Nacht wurde ich vom Telefon aus dem Schlaf geklingelt. Es war Juliette. Sie flüsterte, dass sie mich liebte und dass sie auf mich warten wollte. Dann legte sie hastig auf. Erst ein paar Tage später, als die Polizei mich holen kam, begriff ich, wer hinter dem Ganzen steckte. Sie gaben mir einen Brief, in dem stand, dass ich mich nicht länger in Frankreich aufhalten durfte, da ich weder zur Universität ging noch eine Arbeit hatte. Sie fuhren mich geradewegs zum Flughafen, setzten mich ins erstbeste Flugzeug nach Norwegen und sagten, ich dürfe erst wiederkommen, wenn ich reich, adlig oder berühmt sei. Und da ich weder besonders geschickt mit Geld bin noch blaues Blut in den Adern habe, beschloss ich,

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