Doktor Proktors Zeitbadewanne
ein Foto, aber dass man mich so weit weg von Paris kennt, das ist...‹
Aber hier unterbrach ich Viktor und flüsterte so laut, wie ich es wagte: ›Fahr los! Sofort!‹
›Aber liebe Juliette, diese beiden freundlichen Männer wollen doch nur...‹
›Fahr los! Sonst verpassen wir die Verabredung mit dem Pfarrer!‹
›Erst muss ich das Benzin bezah. . .‹
Viktor hatte nicht bemerkt, dass die Nilpferde schon auf ihn zukamen, also richtete ich mich im Beiwagen auf, trat das Startpedal und riss den Gashebel herum. Das Motorrad machte einen Satz und raste los. Und ich machte einen Salto rückwärts aus dem Beiwagen und landete mit dem Hinterkopf auf dem Asphalt, während der Benzinschlauch herumschlackerte und die beiden Nilpferde und mich über und über mit Benzin vollspritzte.«
»Oh Gott, nein!«, sagte Lise und beugte sich gespannt vor, sodass ihre Kaffeeschale ins Trudeln kam.
»Oh Gott, ja«, sagte Juliette und rettete die Kaffeeschale in der letzten Sekunde. »Ich sah nur noch Sterne, kam aber trotzdem auf die Beine und lief schwankend dem Motorrad hinterher. Beide Nilpferde mir auf den Fersen. Ich spuckte Benzin und schrie nach Viktor, aber der sah und hörte nichts, ich sah nur, wie er lachend etwas zum Beiwagen sagte. Er glaubte, ich würde immer noch neben ihm sitzen, und fand es wohl lustig, ohne zu bezahlen abzuhauen.«
»Sie waren verloren!«
»Das glaubte ich auch. Die Nilpferde kamen immer näher. Der mit dem Overall und der Zigarette erwischte meine Haare. Aber dann hörte ich ein ›Puff!‹ und er war weg.«
»Was war passiert?«
»Benzin und Zigarette. Gefährliche Kombination. Aber der andere war noch da. Ich hörte das Kleingeld in seinen Taschen klimpern. Und ich hörte seinen schweren Nilpferdatem. Aber Viktor bemerkte immer noch nichts, er fuhr einfach weiter.«
»Sie waren verloren, doppelt verloren!«
»Ja, und ich wollte gerade aufgeben. Aber da sah ich das Ende von Viktors Schal, das weit hinter dem Motorrad herschleifte. Schon spürte ich die Nilpferdfinger, die nach meinem Rücken grapschten. Mit letzter Kraft hech tete ich nach vorn, packte die äußersten Fransen des Schals, klammerte mich daran fest und schleuderte los.«
»Über den Asphalt?«
»Jau. Sofort war meine Hose an den Knien aufgescheuert, es tat höllisch weh. Aber ich kam auf die Beine und tanzte jetzt hinter dem Motorrad her wie ein Wasserski-Läufer.«
»Um Himmels willen!«
»Ja, aber das Schlimmste kommt noch«, sagte Juliette. »Viktor hatte immer noch nichts bemerkt. Meine Kräfte schwanden, bald würde ich den Schal loslassen müssen, da kamen wir um eine Kurve und fuhren auf eine Brücke. Neben der Straße stand ein Schild mit der Aufschrift ›Gustave-Eiffel-Brücke‹. Mir war klar, das war meine letzte Chance, und ohne den Schal loszulassen, schleuderte ich an den Straßenrand, auf die andere Seite des Schilds. In der nächsten Sekunde wickelte der Schal sich um den Schildermast, die schnellste Karussellfahrt meines Lebens. Als ich aufstand und Viktor mitten auf der Brücke liegen sah, das Motorrad ein Stück weiter, hatte ich einen fürchterlichen Drehwurm. Ich lief zu Viktor hin. Mein Liebster war ganz blau im Gesicht, der Ärmste, die Augen quollen heraus, er wollte etwas sagen, bekam aber keine Luft . . .«
»War er verletzt?«
»Nein, aber der Schal hatte ihm den Hals zugeschnürt.
Als ich ihn losgemacht hatte und er wieder Luft bekam, konnte er auch wieder sprechen, wenn auch mit einer merkwürdigen Stimme, ungefähr so...«
Juliette sagte mit einer hohen Piepsestimme: »Was ist passiert, Juliette?«
Lise musste kichern. Und Juliette ebenfalls.
»Ich sagte, alles sei gut, jetzt würden wir nach Rom fahren und heiraten. Ich nahm seine Hand, wir liefen zum Motorrad, er konnte es starten, aber ein Ventil hatte etwas abbekommen und er sagte, es würde wohl nur noch langsam fahren, der Pfarrer müsste wahrscheinlich ein bisschen warten. Und in dem Moment sah ich die breite schwarze Limousine um die Kurve kommen und auf die Brücke zufahren.«
»Eine schwarze Limousine«, sagte Lise. »Die Nilpferde!«
»Der Wagen war so breit, dass ich kurz hoffte, er würde gar nicht auf die Brücke passen. Aber er passte, haargenau, und kam auf uns zu.«
»Jetzt waren Sie aber wirklich verloren.«
»Ja, Lise, diesmal war ich verloren. Mit einem kaputten Ventil würden wir es nie nach Italien schaffen, ohne dass sie uns einholten, so nah die Grenze auch sein mochte. Tief unter der Brücke floss
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